Inzwischen habe ich den zweiten Band gelesen und dazu meine Gedanken im DSA-Forum gepostet. Wie schon beim ersten Band will ich auch hier meine Bewertung schreiben und natürlich auch von Euch hören, was Ihr von dem Roman haltet!
Zur Spoilervermeidung ist bis auf das Fazit alles in weißer Schrift.
Mit Himmelsturm wird die Romanserie der Phileassonsaga fortgeführt. Das gleichnamige Abenteuer habe ich hier bewertet; wie schon beim ersten Teil findet sich am Ende ein spoilerfreies Fazit.
[MI]
Erneut beginnt der Roman mit einem ca. 80-seitigen Prolog, der wieder einmal nicht direkt mit der Saga zu tun hat – diesmal schildert er allerdings die Vorgeschichte einer Person, die auch schon in der Abenteuervorlage vorhanden ist. Es geht um Abdul el Mazar, einen novadischen Dämonologen, dem Phileasson und seine Gruppe später im Himmelsturm begegnen werden. Im Prolog wird nun geschildert, wie er dorthin gelangte. Als bei einem Überfall von Sklavenjägern eine seiner beiden Nichten verschleppt wird, macht sich Abdul mit der gerade noch aus den Händen der Sklavenjäger entkommenen zweiten Nichte auf den Weg nach Al'Anfa, um die Unglückliche zu retten. Vor Ort werden zwei Dinge klar: Warum man Al'Anfa als die Schwarze Perle des Südens bezeichnet, und dass Abdul eine geheimnisvolle und dunkle Vergangenheit hat. Seine früheren Besuche in Al'Anfa und sein Umgang mit einigen der zwielichtigeren Bewohnern helfen Abdul dabei, einen wahnwitzigen und gefährlichen Plan zu ersinnen, um die entführte Nichte aus den Händen von finsteren Dämonenknechten zu retten. Trotzdem muss er all seine Kräfte aufbieten, um auch nur den Hauch einer Chance gegen seine mächtigen Widersacher zu haben.
Der Prolog gefiel mir dieses Mal außerordentlich gut, was mehrere Gründe hat: Zum einen ist die in den Fokus gestellte Person diesmal sehr gut gewählt worden, denn Abdul el Mazar ist eine der geheimnisvollsten Personen, der man im Laufe der Saga begegnen wird. Hier präsentiert er sich außerdem als – man möge mir den aventurisch nicht stimmigen Ausdruck verzeihen – ziemlicher Badass, der kein Risiko scheut, um seine geliebte Nichte zu retten. Selbstironisch über seine im Grunde nutzlosen Zauberkräfte, mit einigen Andeutungen über seine dunkle Vergangenheit, wächst der mysteriöse Magier einem sofort ans Herz. Die Handlung des Prologs ist außerdem spannend, gut erzählt und vermittelt gekonnt das Gefühl, das man von einem Abenteuer in Al'Anfa erwartet – Lebensgefahr, Luxus, Lust und noch ein paar weitere L-Worte.
Ich war von diesem Prolog so außerordentlich begeistert, dass ich den Rest des Romans – vielleicht sogar der ganzen Saga – liebend gerne eingetauscht hätte für eine ausführliche Erzählung über Abduls Abenteuer! Mit diesem Prolog ist dem Autorenduo ein um Welten besserer Einstieg gelungen als beim Vorgänger. Nach all den harten Worten für Nordwärts war ich also erstmal versöhnt. Respekt dafür!
Der zweite Roman beginnt dann richtig mit der Erkundung des Grabmals im Eis – und zwar aus der Sicht von Beorn. Seine Recken dürsten nach Beute, also wird hier kurz Halt gemacht, um die Moral der grumpelnden Thorwaler zu verbessern. Die Beschreibung von Beorns Mannschaft lässt erneut deutlich werden, dass es sich bei ihnen hauptsächlich um gierige Raubeine handelt, die für Gold fast alles tun. Die Abneigung der Thorwaler gegenüber dem geheimnisvollen Elfen, der in diesem Band sehr viel Spotlight bekommt (zum Glück!), wird klar geschildert und passt gut zu Beorns Mannschaft. Auch Zidaine, eine weitere geheimnisvolle Begleiterin von Beorn, erhält bei der Erkundung des Eisgrabes die Gelegenheit, einen Teil der Geschichte aus ihrer Perspektive zu erzählen. Sie ist es auch, die am Ende der Episode einen bemerkenswerten Vergleich ziehen kann.
Auch diese Etappe der Reise gefiel mir. Ich hatte den Eindruck, dass zwei Figuren, die im ersten Roman zu blass blieben oder nicht interessant genug geschildert wurden, um sympathisch zu erscheinen – Zidaine und Galayne -, nun erstmals wirklich entwickelt werden konnten. Zwar bin ich aufgrund des Prologes von Nordwärts immer noch tief voreingenommen, aber langsam kann ich mich für Zidaine erwärmen. Auch über Galayne erfahre ich immer mehr Dinge und bin darüber sehr froh. Er war für mich die erfreulichste Überraschung abgesehen von dem überragenden Prolog. Die Szenen mit Galayne habe ich sehr genossen und ich hoffe, dass seine Perspektive auch in den folgenden Bänden erhalten bleibt.
Es folgt wieder der Blick durch Phileassons Augen. Er hält in der Nacht mitten in der Eiswüste Wache, als er bemerkt, wie Beorn und seine Mannschaft sich nähern, um sie anzugreifen und Phileassons Eissegler zu zerstören. Es folgt ein kurzer Kampf, der von den Traviageweihten unterbrochen werden muss. Ich war von dieser Schilderung wenig angetan. Mitten in der Eiswüste die Eissegler zu zerstören kommt einem Todesurteil gleich – ich kann nicht nachvollziehen, dass erstens Beorn dies mit seinem Ehrgefühl und seinem Willen, Phileasson durch den Wettstreit endgültig in die Schranken zu weisen, vereinbaren kann, und zweitens dass die Traviageweihten es nicht schaffen durch klare Worte und energisches Auftreten einem solchen Verhalten einen Riegel vorzuschieben. „Behindern ja, töten nein“ lautet die Regel des Wettrennens – für mich überschreitet Beorn diese Grenze ohne jede Notwendigkeit, und das passt nicht mit meiner Einschätzung seines Charakters zusammen.
Schon kurze Zeit später kommen beide Gruppen am Himmelsturm an – Phileasson kurz vor Beorn. Hier erlebte ich die erste große Enttäuschung des Bandes, denn die Beschreibung des Himmelsturms und des Fluges zu seiner Spitze war unterwältigend. Der Absatz beginnt mit „Worte waren unnötig.“ und endet wenige Zeilen später mit „Dies war also der Turm, der Himmel und Erde mit einander verband (…).“ Bitte? Und wie Worte nötig sind! Wie soll der Leser denn sonst sich ein Bild davon machen können, was die Figuren sehen? Es wird nur gesagt, dass der Turm aussieht wie eine Felsnadel und über hundert Schritt hoch ist. Das ist alles? Man kann natürlich unterschiedlicher Meinung sein, ob man die erste Sichtung des Himmelsturms nun mit wenigen, prägnanten Formulierungen schildert oder sich über mehrere Seiten in einer detaillierten Beschreibung ereifert, aber so, wie die Autoren es gelöst haben, dürfte es wohl niemanden glücklich machen.
Beim Flug ist es genauso. Auch hier schaffen es die Autoren nicht, mich zu verzaubern, in Staunen zu versetzen oder zumindest durch ihre Formulierungen meine Fantasie anzuregen. Der einzige Lichtblick in dieser Szene sind ein paar Anmerkungen der Figuren, die sich über die seltsame „Quasiphysik“ der durch die Luft gleitenden Eissegler unterhalten – letzten Endes nur eine ausformulierte „It's magic“-Erklärung, aber für mich als Spielleiter der Saga ein witziges Bonmot.
Es folgt die Ankunft an der Spitze des Himmelsturms und die Erkundung des Ratssaales. Zweiter Tiefpunkt des Bandes: Der von mir prophezeite Auftritt Leomaras. Die Kleine mit der tiefen Stimme darf im Verlauf der Erforschung des Himmelsturmes so viele Visionen von sich geben, dass sie am Ende gar nichts mehr sagen kann. Leider finden die Recken auch nicht den Palast der Zuckerbäcker, wie es Gerrit im Phileassonforum gehofft hatte. Ich bleibe dabei: Leomara ist für mich ein Fehlgriff und ich finde ihre mit tiefer Stimme vorgetragenen Visionen nicht gut. Es gibt im Phileassonforum viel bessere Alternativen, wie man die Ereignisse im Himmelsturm erzählen kann, vor allem die von Gustav und anderen vorgeschlagenen Träume, Visionen und das Eintauchen in die Vergangenheit. Die Autoren bedienen sich ja auch des Auftauchens von Geistern, die mit den Recken kommunizieren – warum braucht man da noch Leomara?
Da Phileasson und Beorn fast gleichzeitig am Turm ankommen und schon im Ratssaal deutlich wird, dass man auf Dauer nicht auf engem Raum miteinander klar kommen wird, trennen sich die Wege: Beorn geht nach oben, Phileasson nach unten. Beorn ist es auch, der den ersten Toten im Himmelsturm zu beklagen hat: Sein Schildbruder Hallar hat sich im Eisgrab trotz der Warnungen Galaynes an den toten Ratselfen vergriffen und fällt nun dem von den alten Elfengöttern entsandten Rächer zum Opfer. Vor den Augen der ratlosen Gefährten wird er von dem Lynx, einem unsichtbaren Raubtier, zerfleischt. Hier zeigt Beorn erstmals so etwas wie eine sanfte Seite, als er seinem sterbenden Schildbruder in den letzten Augenblicken zur Seite steht. Auch wird durch die gesamte Szene eine gewisse Spannung aufgebaut, die der informierte Leser (Spieler oder Spielleiter) deutlich wahrnehmen kann: Wir Eingeweihten wissen, dass am Ende nur Beorn den Himmelsturm lebend verlassen wird. Alle seine Gefährten – die streitbare Ursa, der junge Iskir, der starke Eimnir – alle werden sterben oder Schlimmeres erleiden. Nach den Andeutungen vom Ende des Prologes eher letzteres. Daher ist es gut, den Nebenfiguren etwas mehr Tiefe zu verleihen, was zumindest im Falle Hallars meiner Meinung nach gelungen ist. Auch trägt es zur weiteren Entwicklung von Beorn bei, denn er wird sich später die Schuld an diesem Unglück geben.
Zurück bei Phileasson geht es nun an die Erkundung der Paläste des Himmelsturmes. Diese Erkundung fällt erstaunlicherweise sehr oberflächlich aus. Die Recken treffen auf die sprechenden Raben und erfahren von ihnen ein paar interessante Dinge – ich bin froh, dass dieses wichtige Element des Himmelsturmes gut umgesetzt wurde. Es dient auch als Mittel der Beschleunigung, denn Phileasson lässt sich von den Raben leiten und läuft ihnen hinterher, anstatt die Paläste ausgiebig zu erkunden. Durch diesen kleinen Kunstgriff umgehen die Autoren das, was in Spielleiterkreisen als „Museumsproblem“ bekannt ist und häufig am Abenteuer kritisiert wird: Die Helden laufen von Raum zu Raum und schauen sich Überreste an. Hier im Roman entsteht dieses Problem allerdings nicht. Auch ein weiteres Problem der Vorlage wird im Roman anders angegangen, denn offenbar waren die Bewohner des Himmelsturmes diesmal weniger gründlich und haben jede Menge Beute übersehen, denn zumindest Beorns Mannschaft taucht später mit prall gefüllten Rucksäcken auf.
Nach einem weiteren Zusammenstoß von Beorn und Phileasson kommen die beiden Traviageweihten Shaya und Lenya ins Gespräch. Leider kann ich deren Beschreibungen und Charakterisierungen immer noch nicht viel abgewinnen, denn sie sind hauptsächlich immer noch weinerliche kleine Frauen, die Angst und Furcht darüber empfinden, dass sie mit diesen beiden berühmten Kapitänen und harten Hunden in die weite Welt hinaus fahren müssen, und sich im Gegenzug darüber freuen, dass sie endlich mal wieder am Feuer gemütlich tratschen können. Und im Grunde wollen sie sowieso nur nach Hause.
Lenya und vor allem Shaya waren für mich in erster Linie immer Thorwalerinnen – mit Mut im Herzen und einem ausgeprägten Dickkopf, die sich von nichts unterkriegen lassen. Und die vor allem ihre thorwalschen Werte und Traditionen auch auf ihren Glauben übertragen. Ich habe den Eindruck, dass sie in aller Linie Traviageweihte nach mittelreichischer Prägung sind und von ihren thorwalschen Eigenschaften das meiste abgelegt haben. So werden mir die beiden leider nicht sympathisch.
Was mir ebenfalls nicht gefällt, sind die sporadisch auftauchenden Szenen, in denen männliche Protagonisten – meistens Tylstyr – nackte Frauen bespannen und über sie fantasieren. Ich will nicht sagen, dass in DSA-Romanen Romanzen oder rahjagefällige Abenteuer fehl am Platze sind; aber die Art und Weise, wie die Autoren diese Elemente einzubauen versuchen, spricht mich nicht an. Ich war von so gut wie allen Vorkommnissen dieser Art nicht angetan und kann nur hoffen, dass dies in den nächsten Romanen besser wird.
Gut dagegen war die eine Passage, in der Ohm Follker mal wieder aus seiner Saga zum Besten geben konnte. Wie schon in der Talkrunde mit den Autoren geäußert, darf Robert Corvus gerne öfter solche Partien in die Erzählung einflechten, denn Ohms Gesang über den Ragnors Tod hat mir gefallen.
Die Erkundung geht weiter und schließlich finden Phileasson und seine Gefährten Ometheon. Die Szene wurde gut umgesetzt – eine der wenigen Stellen, an denen ich auch mal ein Lächeln auf den Lippen hatte. Stichwort: Love is in the air!
Kurz danach entdecken die Recken den Geheimgang, der sie tief hinunter in den Tempel der Pardona führt, wodurch sie einen Großteil der Entdeckungstour abkürzen. Während Phileasson also den Geheimgang nach unten nimmt, springt die Erzählung wieder zu Beorn, der den Turm weiter erkundet. Die beiden Autoren haben in der Talkrunde gesagt, dass jeder Band ein bestimmtes übergeordnetes Thema hat. Bei Nordwärts war es der Aufbruch ins Abenteuer. Im Himmelsturm ist es der Horror. Dazu passend erleben Beorn und seine Mannschaft, die sich in bester Horrorfilmmanier aufteilen, eine gruselige Episode in einem magischen Spiegellabyrinth. Dieser Teil war im Großen und Ganzen in Ordnung, wobei ich sagen muss, dass Horror sicherlich zu den anspruchsvollsten Genres gehört, was die Schwierigkeit angeht, beim Leser Spannung und „Angst“ zu erzeugen. Für mich überzeugt das Kapitel hauptsächlich, weil erneut Galayne einen Großteil der Erzählperspektive übernimmt.
Inzwischen hat Phileasson das Ende des Geheimganges erreicht und steht mit seinen Gefährten in Pardonas Schlafzimmer. Von dort geht es in den Tempel der göttlichen Erleuchtung, zu einer verwirrenden kurzen Begegnung mit zwei Nachtalbenpriestern und weiteren Visionen von Leomara. Phileasson spricht mir wahrhaft aus der Seele, als er gerade versucht mit den Nachtalben Kontakt aufzunehmen und die vor sich hinschreiende Leomara mit den Worten „Nicht jetzt!“ abwatscht. Schade, dass sie sich nicht daran hält.
Aufgrund eines Missverständnisses kommt es dann zu einem Kampf mit den beiden Nachtalben, bei dem einer stirbt und die andere gefangen genommen werden kann. Nach einem kurze Verhör, bei dem die Recken unter anderem von einem Gefangenen erfahren, wählt sie allerdings den Freitod.
Phileasson macht sich nun auf in den Raum der Offenlegung, in dem Pardona lebende Elfen und andere Wesen sezierte und dessen bedrückende und einschüchternde Erscheinung gut beschrieben wird. Leomara erhält erneut lange Visionen und will sich an deren Ende in einen Schacht werfen, an dessen Ende eine Feuergrube wartet, kann aber leider von Phileasson gerettet werden.
Nun stellen sich die Recken gemeinsam die Frage, was sie eigentlich im Himmelsturm tun sollen, oder besser gesagt: Wann ist ihre Aufgabe erfüllt? Ein Problem, das auch im Abenteuer auftaucht und manchen Spielgruppen Ärger bereitet, weil die Spieler vielleicht schon viel zu früh der Meinung sind, sie hätten genug gesehen und würden lieber wieder verschwinden. Der Nandusgeweihte Vascal und der Skalde Ohm präsentieren hier eine gelungene Antwort auf diese Frage.
Weiter geht es durch einen Raum voller Chimären, die plötzlich zum Leben erwachen und die Recken in einen harten Kampf verwickeln. Danach finden sie den Gefangenen in einer Zelle: Es handelt sich natürlich um Abdul, den inzwischen verrückten Magier aus dem Prolog, der hier von Pardona gefoltert wurde. Sie nehmen ihn mit in das nächste Zimmer, da er dort seine gestohlenen Aufzeichnungen vermutet: Es handelt sich um Pardonas Beschwörungszimmer und Labor. Die Recken finden einige wertvolle Bücher und Schriftrollen, jedoch wird Salarin fast von einem Tentakel in die Niederhöllen gezogen. Zum Glück kann Tylstyr endlich seine tiefsitzende Furcht vor dem Scheitern überwinden und fortan wieder den Ignifaxius wirken, mit dem er Salarin auch rettet.
Aus den gefundenen Aufzeichnungen können die Recken weitere Rückschlüsse über die Geschichte des Himmelsturms ziehen. Trotzdem müssen sie noch tiefer steigen, um das Rätsel des Himmelsturms zu lösen.
So gelangen sie in die Kammern des Schutzes vor göttlicher Ungnade; ein Ort, an dem sich das Schicksal der alten Hochelfen klärt und auch Salarin eine Offenbarung erlebt, die ihn für die restliche Zeit im Himmelsturm schwer beeinflusst. Er ist es auch, der den gelungenen Schlusssatz des Kapitels ausspricht: „Wie konnte all dies dahinwelken?“
Es folgt ein kurzes Intermezzo mit Lenya, in dem sie, während sie etwas zu Essen zubereitet, über die Ereignisse der letzten Tage resümiert und die Erkundungen durch Beorns Mannschaft schildert. Erneut wird Lenyas Rolle als die der zu Hause bleibenden Frau beschrieben, die sich um das Wohlergehen der Ottajasko kümmern muss und dafür kaum Wertschätzung erhält. Es wird klar gemacht, dass Lenya sich in dieser Rolle nicht wohl fühlt. Mich stört aber, dass sie überhaupt diese Überlegung haben muss. Erneut wird ein Bild von der Traviageweihten vermittelt, das für mich eher ins Mittelreich als nach Thorwal passt.
Dafür entschädigt das Ende der kurzen Szene, die wie ein Ruhepol in der ganzen Geschichte wirkt – ein letzter friedlicher Moment, bevor das katastrophale Finale beginnt. Denn Galayne hat inzwischen eine Patrouille der Nachtalben entdeckt. Beorn beschließt daraufhin, erst einmal diplomatisch zu bleiben, von den Nachtalben Informationen über den Himmelsturm zu erhalten und sie erst danach zu töten.
Wieder an Phileassons Seite geht es schließlich in die Hallen des Feuers, wo Phileasson ein weiteres grausiges Geheimnis des Himmelsturms und seiner Bewohner lüftet: Er stößt auf Sklaven, die in einer Höhle voller Lava Glas schmelzen und daraus Platten für einen unbekannten Zweck herstellen müssen. Durch ein von Dämonenstatuen flankiertes Tor werden diese dann in die Tiefe gebracht. Phileasson und seine Gefährten überlegen gerade, wie sie die Sklaven befreien können, als Vascal durch seine Neugier die Wachen auf sich aufmerksam macht. Mit ein paar Sklaven im Gepäck machen sich Phileasson und seine Recken auf den Weg nach oben, wobei einige von ihnen in den heftigen Gefechten mit den Nachtalben zum Teil schwer verletzt werden. Die gesamte Szene gefällt mir und wird gut beschrieben. Vor allem Phileassons Zögern und Überlegen, was er denn nun tun soll – die Sklaven retten oder nicht – und sein Umgang mit dem alten Thorwaler haben mich angesprochen.
Die Recken fliehen vor den Nachtalben und ihren schrecklichen Chimärenwächtern. Durch einen mächtigen Zauber von Abdul können sie sich eine Verschnaufpause gönnen und suchen im unteren Teil des Turmes nach Kleidung für die in Lumpen gekleideten Sklaven. Dabei kann Shaya durch ein Gebet an Travia einen in Gefahr geratenen Sklaven retten und allen einen kurzen Moment der Ruhe verschaffen. Anschließend sucht sie mit Vascal nach Leomara, die verschwunden ist. Sie finden sie in einem dunklen Gang aus Glas, von dem aus die drei die unter dem Meer gelegene Stadt der Nachtalben sehen. Leider war ich auch von dieser Szene nicht beeindruckt, wie schon bei der Schilderung des Himmelsturmes. Das scheint den beiden Autoren nicht zu liegen.
Wir kehren zu Beorn zurück, der inzwischen die Nachtalbenpatrouille hat umbringen lassen. Er hat noch einen weiteren fiesen Plan: Er will einen Spitzel in Phileassons Mannschaft einbringen. Zidaine erklärt sich dazu bereit und Galayne übernimmt den Rest – in einem abgelegenen Raum einer Bibliothek verpasst er Zidaine eine tödliche Wunde, damit sie später von Phileasson gefunden wird und ihm eine glaubwürdige Geschichte erzählen kann, warum sie zurückgelassen wurde. Der Plan erscheint mir zugleich sehr optimistisch und äußerst überflüssig.
Ach ja. Galayne: Badass.
Nun ergibt es sich, dass Beorn und Phileasson aus irgendeinem Grund gemeinsam gegen die Nachtalben und die Chimären kämpfen. Die gesamte Szene war sehr verwirrend, wie man das bei einem Kampf erwarten kann. Letzten Endes geht aber Zidaines Plan auf und sie wird von Tylstyr gefunden. Aber offenbar ist sie durch den Blutverlust schon an der Schwelle des Todes und so verwirrt, dass sie das ausspricht, was vermutlich alle Leser schon wissen und was auch Tylstyr vermutet hat: Sie ist Fianna und erkennt Tylstyr als den Jungen, der ihr damals helfen wollte. Und plötzlich … fängt sie an mein Interesse zu wecken. Hm …
Weiter geht die Flucht zurück zum Ratssaal, wobei unterwegs das kleine Meer (ein riesiges Aquarium), an dem Phileasson vorbei kommt, zerstört wird, um die Verfolger aufzuhalten. Phileasson zeigt sich hier zur Abwechslung mal genauso hart wie Beorn, denn er schmettert Shayas Einspruch, dass dadurch ja auch Beorn der Fluchtweg versperrt würde, eiskalt ab: „Er ist ein Drachenführer, der so manchen Sturm durchfahren hat. Er wird einen Weg finden.“ Ebenfalls bleibt Eichward vom Stein zurück, der beim Kampf gegen die Nachtalben getötet wurde. Der Rest macht den großen Eissegler an der Terrasse des Ratssaales bereit und flieht aus dem Himmelsturm.
Einige Zeit später muss zuerst Vascal, danach auch Salarin das aus dem ersten Band bekannte Bußeritual, eine Art Spießrutenlauf, über sich ergehen lassen: Vascal, weil er die gesamte Gruppe durch seine Neugier in Gefahr gebracht hat, und Salarin, weil er, wie jetzt erst bekannt wird, Eichward im Stich gelassen hat, obwohl der, zwar schwer verletzt, aber noch am Leben war.
Die Recken fahren danach weiter und werden von zwei Gletscherwürmern angegriffen. Der Kampf ist sehr unspektakulär und wird durch einen sprichwörtlichen Deus ex Machina beendet: Ein aus dem Himmelsturm befreiter Sklave und Praiosgeweihter spricht eine Liturgie, die beide Drachen sofort tötet. Wie bitte?
Als sich Zidaine bei Tylstyr für seine Hilfe im Kampf bedanken will, versucht er sie zu küssen. Meine erste Reaktion war wie oben geschildert – eher negativ - , aber inzwischen stehe ich dem wohlwollender gegenüber. Bahnt sich da etwa eine Romanze an, die die Rachefantasien aus Zidaines Herz vertreibt? Ich würde es mir wünschen. Die zarten Knospen dieser Entwicklung werden allerdings von Phileassons enthusiastischem Freudeschrei über „Loot“ gestört, denn er will die beiden toten Gletscherwürmer nach Riva bringen und an den Meistbietenden verschachern.
Der Roman endet mit einem kurzen Epilog, der das Schicksal von Eichward vom Stein klärt. Ich bin froh, dass die Schilderungen eher angedeutet werden und nicht zu explizit sind, denn das passt besser zur Szene. Insgesamt gefällt mir das Ende allerdings nicht, da es zu abrupt kommt und – anders als bei Nordwärts – nicht mit einem wirklich guten Schlusssatz endet.[/MI]
Der Himmelsturm gefiel mir insgesamt um Welten besser als Nordwärts. Nach einem fantastischen Prolog folgt eine dramaturgisch gestraffte und größtenteils gelungene Erkundung des Himmelsturms. Gerade Beorns Perspektive war interessant und gefiel mir meist besser als Phileassons Seite. Es werden einige Entwicklungen angedeutet, die mich interessieren.
Wie gut einem das Buch gefällt, hängt aber auch hier, wie schon bei Nordwärts, ganz davon ab, mit welchem Vorwissen man es liest: Wer mit DSA bisher nichts am Hut hatte ooder als Spieler von Phileasson nie gehört hat, wird vermutlich am meisten Spaß haben. Wie es für Saga-erprobte Spieler ist, kann ich nicht beurteilen. Für mich als Spielleiter war das Buch besser als erwartet. Es bietet einige gute Ansätze, die ich bei einem erneuten Leiten der Saga einbauen würde. Insgesamt bin ich durchaus zufrieden. Der Stil ist angenehm flüssig lesbar und es kommt auch nur einmal das Wort „pullen“ drin vor.
Aber: Bleibe ich bei Phileasson? Da bin ich schwer am Wanken. Beorn gefällt mir immer noch nicht wirklich, obwohl er mir im Grunde nur unsympathisch vorkommt, wenn er aus Phileassons Perspektive beschrieben wird. Es bleibt mir also nur eines übrig: Galayne, ich wähle dich!
Himmelsturm bekommt von mir 4 Punkte, was hauptsächlich an dem großartigen Prolog und Galayne liegt. In diesem Stil und mit einigen Verbesserungen in den Punkten, die ich oben geschildert habe, könnte ich mich für den Rest der Saga begeistern. Wenn aber Galayne stirbt und sein Abgang nicht absolut fantastisch ist, bekommen alle folgenden Bücher automatisch nur einen Stern!
Und: Lieber Bernhard Hennen, lieber Robert Corvus: Schreibt bitte ein Buch über Abdul! Bitte bitte bitte!
Kurz zum Äußerlichen: Wie schon bei Nordwärts sind Cover und Innenkarten schön anzuschauen (auch wenn das auf dem Cover für mich nicht der Himmelsturm ist – da war der Verlag halt zu stur). Die Symbole am Beginn und Ende der Kapitel sind ebenfalls passend.
Anmerkung: Wie schon bei der letzten Bewertung gilt: Das hier ist mein Text und ich möchte ihn nicht unter fremden Namen ohne meine Erlaubnis auf Amazon oder sonstwo gepostet sehen. Danke!