Fünfte Sitzung (13,5h)
Verfasst: 01.04.2014, 01:04
Das Geisterschiff
Aus dem Nebel ertönte ein weiteres Mal der Klang einer Schiffsglocke, doch noch konnte man kein Schiff entdecken. Schnell breitete sich die Angst unter den Matrosen aus. Hatte Ohm ihnen nicht nur eine Schauergeschichte erzählt? Waren sie tatsächlich im Begriff von einem Geisterschiff in die Verdammnis gezogen zu werden? Einige der Thorwaler griffen zu ihren Waffen, andere verfielen in Panik und beteten eilig zu Swafnir. Dimeus schaute zurück zur Stern von Riva, doch im Nebel konnte er nicht einmal mehr das Begleitschiff sehen, obwohl es doch nur wenig hinter ihnen fahren sollte. Lorion kletterte auf den Mast und starrte angestrengt in den Nebel, doch immer noch war nicht zu erkennen, woher der Klang der Glocke stammte. Lialin rannte zum Bug, legte eine Hand, zum Trichter geformt, an ihren Mund und stieß kräftig den Atem aus. Durch den Zauber wurde der Nebel vor ihnen langsam verdrängt und sie konnten immer weiter sehen. In einiger Entfernung entdeckten sie die schemenhaften Umrisse eines Schiffes, da rief eine geisterhafte Stimme zu ihnen herüber: „Wir kommen zu Euch!“
Weitere Waffen wurden gezogen, Firunjar versuchte die Männer zu beruhigen und Lorion starrte weiter in den Nebel. Die geisterhafte Stimme sprach weiter zu ihnen und die Elfen riefen zurück. Nach einer schieren Unendlichkeit erkannten sie, dass es sich nur um ein kleines Boot mit Robbenfängern handelte. Die Helden überließen es Phileasson, mit dem Kapitän der Robbenfänger Neuigkeiten auszutauschen, und erfuhren so, dass Beorn ihnen drei Tage voraus war. Lorion gab den Robbenfängern ein paar Äpfel von seinem magischen Baum und erhielt im Gegenzug von ihnen Robbenfleisch. Kurz darauf trennten sich die Wege der beiden Schiffe wieder und die Seeadler setzte ihre Reise gen Norden fort. TiaLi bat den Firnlauki (Eisdschinn), die Seeadler vor den Gefahren des Eises zu beschützen, und so wurde ihr Vorankommen nicht durch Eisschollen oder Eisberge behindert. Allerdings fühlte der Firnlauki, der in Gestalt eines kleinen Eisberges vor dem Bug der Seeadler trieb, sich in der Nähe des Bootes, des Baumes und der Fackeln, die die Wachen an Deck trugen, nicht wohl, weshalb er die Temperatur um einiges herabsenkte. Nach kurzer Zeit wollte niemand mehr am Bug sitzen.
Sie fuhren den Rest des Tages durch den dichten Nebel und machten erst Halt, als die Nacht über sie hereinbrach und die Weiterfahrt zu gefährlich wurde. Die Mannschaft versuchte sich auszuruhen, aber viele fanden nur einen unruhigen Schlaf. Dann sahen die Helden plötzlich, wie ein kleines, bläuliches Schimmern unter dem Boot hervordrang und sich langsam, ruckartig fortbewegte. Eine weitere Lichtkugel tauchte auf, dann noch eine, noch eine, bis schließlich mehrere Dutzend das Wasser in großem Umkreis um die Seeadler in ein gespenstisches Licht tauchten. Immer wieder hörten die Helden schwappende und platschende Geräusche aus dem Wasser, sie sahen schemenhafte Gestalten durch das Wasser tauchen, doch sie konnten sich nicht erklären, was es damit auf sich hatte. Die Helden vermuteten, dass es sich bei den Leuchtkugeln um Irrlichter handeln könnte, waren sich aber nicht sicher. Aus Neugier sprach Dimeus einen Odem und modifizierte ihn so, dass er die Umgebung des Schiffes untersuchen konnte. Doch die Leuchtkugeln waren offenbar nicht magischer Natur. Er wollte gerade seinen Blick wieder abwenden, als er eine große Ansammlung astraler Kraft wahrnahm, die schnell unter dem Boot her tauchte.
In der Zwischenzeit untersuchte auch Lavandiel die seltsamen Leuchtkugeln mit Hilfe ihrer Magie und sprach einen Exposami: Sie sah Dutzende, wenn nicht gar hunderte kleiner grüner Kugeln aufleuchten, das Wasser war voll von ihnen! Daraufhin versuchten die beiden Elfen sich durch einen Zauber Zugang zu den Gedanken der seltsamen Wesen zu verschaffen, um herauszufinden, ob sie oder das unbekannte Wesen, das Dimeus entdeckt hatte, eine Gefahr für die Seeadler darstellten. Von den leuchtenden Wesen vernahmen sie aber nur eintönige Eindrücke. Dann hörten alle aus einiger Entfernug ein furchteinflößendes Brüllen. Die Helden rätselten, was für ein Wesen sich hier herumtreiben könnte, und kamen bald zu der Überzeugung, es musste sich um einen Frostwurm handeln. Dimeus hatte in seiner Akademie Geschichten über Drachen im Ewigen Eis gehört, die nach einem besonders wertvollen Schwarzen Auge suchten, dem sogenannten Primoptolithen, und deshalb alles Schwarze sammelten. Zu ihrem Glück schien der Frostwurm, falls es sich tatsächlich darum handelte, kein Interesse an ihnen zu haben. So verging der Rest der Nacht ohne weitere Zwischenfälle.
Anmerkungen:
Die Sitzung begann wie immer etwas zäh. Wir hatten die letzte Sitzung mit einem Cliffhanger beendet, die ingame-Situation sollte angespannt und unheimlich sein. Da outgame aber draußen bestes Wetter mit Sonnenschein herrschte, kam diese Anspannung natürlich überhaupt nicht zustande. Die gesamte Szene mit dem angeblichen Geisterschiff funktionierte nicht. Das mag zum einen an der outgame-Situation gelegen haben, aber ich glaube, es war auch nicht sonderlich gut, eine Szene, die so spannend und intensiv sein soll, direkt an den Anfang der Sitzung zu legen. Natürlich ist es ein guter Cliffhanger, der die Spieler heiß macht auf die nächste Sitzung, aber zumindest in meiner Gruppe ist der Anfang immer das schwierigste. Es dauert seine Zeit, bis alles rund läuft. Wir haben zwar vorher genügend Gelegenheit, über andere Dinge zu quatschen und ich fange auch erst dann an zu meistern, wenn alle bereit sind und es keine anderen Themen mehr zu besprechen gibt. Aber trotzdem ist der Start immer zäh. Ich werde darum in Zukunft auf Cliffhanger verzichten und den Beginn der Sitzung möglichst so planen, dass die Helden sich am Anfang in einer Routinesituation befinden. Ich möchte ungern spannende Szenen dadurch verschwenden, dass sie zu Beginn der Sitzung passieren, wenn die Spieler noch keine Gelegenheit hatten in die Spielwelt einzutauchen.
Im Nachhinein betrachtet hat die Szene auch zu lange gedauert. Als klar war, dass die Helden keine Angst hatten, hätte ich die Sache auch einfach schnell auflösen können. Zumal die Olporter Magierin durch ihre Zauber den Nebel ja auch vertreiben konnte. Hier eine beklemmende und unheimliche Begegnung zu inszenieren ist nur möglich, wenn die Spieler sich auch darauf einlassen (also sich gruseln wollen) und ihre Helden keine Möglichkeit haben, etwas an der Situation zu verändern. Falls dem nicht so ist, sollte man sich nicht zu lange damit aufhalten, denn ich habe zwar versucht, die Bedrohung anhand der Reaktionen der Mannschaft darzustellen und den Helden so eine Aufgabe zu geben, nämlich dass sie die Mannschaft beruhigen, aber das wurde auch nur halbherzig unternommen. Alles in allem also wieder mal eine Szene, die leider nicht so funktioniert hat, wie ich mir das vorgestellt hatte.
Unschön auch, wie die Spieler/Helden hier Phileasson vorgeschickt haben, um mit dem Robbenfängerkapitän zu reden. Ingame ist es natürlich nachvollziehbar, weil Phileasson nun mal der Kapitän ist und der Spieler von Dimeus war sich beispielsweise nicht sicher, wieviel Phileasson den Robbenfängern preisgeben wollte. Trotzdem war es blöd, weil ich dann eine Einmannunterhaltung zwischen den beiden Kapitänen durchführen musste. Hier zeigte sich das Autoritätsproblem der Phileassonsaga zum ersten Mal: Die Spieler/Helden wälzen etwas auf Phileasson ab, weil er nunmal der Chef ist.
Erfreulicherweise hat sich niemand darüber beschwert, dass Beorn drei Tage Vorsprung hat. Die Spieler konnten es wegen der Sturmschäden und des Umwegs nach Riva gut nachvollziehen. Ich hatte vorher Bedenken, dass das für Unmut sorgen könnte, weil Beorn sie trotz ihrer guten Ideen im Vorfeld doch noch überholt hatte.
Der Eisdschinn hat den Helden die Fahrt hier sehr erleichtert, weil er Eisschollen usw. einfach beseitigt hat. Ich habe die ganze Beschwörung eher gehandwedelt, als mit den Regeln aus WdZ zu arbeiten – viel zu kompliziert und aufwändig; stattdessen einfach ein bisschen GMV, Verhandlungssache und guter Wille.
Bei den Leuchtkugeln handelte es sich – wie bei einer früheren Sitzung schon mal angemerkt – um Leuchtquallen, die völlig harmlos waren. Diese Szene hat allerdings viel besser funktioniert, weil die Spieler/Helden ahnungslos waren und die Sache untersuchen konnten.
Ich hatte eigentlich vor, erst im Packeis bzw. auf Yetiland einen Frostwurm auftreten zu lassen, aber haben mich dann dazu entschieden das vorzuziehen, um ein wenig Spannung reinzubringen. Die Spieler/Helden hatten auf jeden Fall ein wenig Bammel. Zur passenden Untermalung der Szene habe ich mir ein paar Drachengeräusche (Brüllen, Schrei) zurechtgelegt und mit einem Programm per Knopfdruck eingespielt, was ganz gut ankam.
25. Firun, Meerlunge / Treffpunkt im Packeis
Sie fuhren weiter durch den Nebel. Irgendwann erblickten die Helden auch auf der Backbordseite Packeis, bis schließlich nur noch eine kleine Fahrrinne die Fahrt durch das Eismeer ermöglichte. Der Firnlauki sorgte auch weiterhin dafür, dass der Seeadler durch Eisschollen und Eisberge kein Schaden entstand.
Nach einigen Stunden kam die Seeadler an eine Stelle, an der zwei große Eisberge den Weg versperrten. Es gab ein gewaltiges Knacken und Krachen, dann schob der Firnlauki die beiden Eisberge beiseite und die Fahrt ging weiter. Phileasson teilte den Helden mit, dass sie ohne die Hilfe des Eisgeistes wohl mehrere Stunden verloren hätten. Frohen Mutes fuhren die Helden weiter, bis der Nebel sich schließlich lichtete und sie abends zwei Schiffe in der Ferne erkennen konnten, die an der Packeisgrenze lagen. Phileasson ließ die Seeadler in der Nähe der beiden Schiffe, bei denen es sich um Beorns Seeschlange und ein großes Transportschiff handelte, anlanden, ließ sie aufs Eis ziehen und sichern. Den Helden übergab er die Verantwortung, ein Lager zu errichten und Eishütten zu bauen, was unter der kundigen Anleitung von Firunjar und TiaLi geschehen sollte. Firunjar betete zu seinem Gott Firun und bat ihn um Hilfe, um einen geeigneten Lagerplatz zu finden, was ihm schnell gelang. Er führte die Mannschaft zu einem kleinen Eisberg, der aus dem Packeis herausragte und guten Windschutz bot. Der Firnlauki folgte TiaLi ins Zentrum des Lagers und verharrte dort, eine eisige Aura um sich herum. Dimeus half dem Koch ein Feuer im Windschutz zu entfachen, während Lialin durch Zauberkraft eine Eishütte aus dem Packeis entstehen ließ. Lorion brachte seinen Apfelbaum in Sicherheit und stattete dann den beiden anderen Schiffen einen Besuch ab. Er sah, dass Beorns Seeschlange komplett verlassen und mit Schnee und Eis überzogen war. Die Mannschaft des Transportschiffes war ihm nicht freundlich gesonnen und jagte ihn fort, weshalb er nichts von ihnen erfahren konnte.
Nachdem sie Schneehütten und Zelte errichtet hatten, lieferten sich Lavandiel und TiaLi eine Schneeballschlacht mit Estel und Seti. Irgendwann warf auch der Firnlauki mit kohlkopfgroßen Eisbällen, was den anderen schnell den Spaß verdarb.
In der Zwischenzeit wurde die Ausrüstung aus der Stern von Riva ausgeladen. Die Mannschaft brachte Proviant, Eissegler und Hundeschlitten aufs Eis. Dreißig Schlittenhunde tollten herum und sprangen die Helden wie wild an. Phileasson bat die Helden, einen Zwinger für die Hunde zu erbauen, um sie dort einzusperren. Stattdessen ließ TiaLi ihren Wolf Rael einen Kampf mit dem Leithund des Rudels austragen, um die Kontrolle zu übernehmen. Die beiden Tiere lieferten sich einen heftigen Kampf, während die Mannschaft rundherum stand und das Geschehen gebannt beobachtete. Schließlich unterlag der Leithund wegen einer blutenden Wunde im Bein, die nach dem Kampf von TiaLi geheilt wurde. Danach gingen TiaLi, Lorion, Firunjar und die Schlittenhunde gemeinsam auf Jagd und erlegten vier Robben für das Abendessen.
Es dauerte mehrere Stunden, bis das Lager aufgebaut, das Schiff gesichert und die Ladung aufs Eis gebracht wurde. Dann saßen alle im Windschutz und taten sich gütlich an dem köstlichen Mahl, das der Smutje ihnen zubereitet hatte. Shaya trat an Phileasson heran: „Asleif, die Männer sehen erschöpft aus. Vielleicht sollte ich Travia um Beistand bitten...“ Doch Firunjar, der die Unterhaltung mitbekommen hatte, unterbrach sie: „Wir sind nun in Firuns Reich und hier überleben nur die Starken, die Entschlossenen, die willens sind Mühsal zu ertragen. Vor uns liegen noch harte Zeiten und Herausforderungen. Wir sollten Firun nicht verärgern, indem wir in seinem Reich vor diesem Mühsal fliehen.“ Phileasson überlegte einen Moment lang und stimmte dann Firunjar zu. Auch die Mannschaft und die Helden hatten diese kleine Auseinandersetzung zwischen Shaya und Firunjar mitbekommen. Danach verließ Firunjar das Lager und suchte sich einen Hügel in der Nähe, auf dem er meditierte und nach der inneren Einkehr suchte. Zwei Stunden verbrachte er in der Eiseskälte, auf der Suche nach der leitenden Stimme seines Gottes. Als er schließlich zurückkehrte, war er überzeugt: Firun würde seinen Glauben schon bald auf die Probe stellen.
Im Lager suchte Lorion die Gesellschaft der Waldelfe, während Lavandiel sich mit der Kriegerin unterhielt. Der Firnlauki begann inzwischen, eine Art Eispavillon aus dem Boden wachsen zu lassen. Irgendwann begaben sich alle in die Eishütten und Zelte.
Anmerkungen:
Die Szene „Gefangen im Eis“ konnte ich gleich abhaken, da der Eisdschinn sie problemlos daraus befreien konnte. Ich wusste auch gar nicht, wie ich die Szene irgendwie spannend hätte gestalten können, so dass das Schiff zwischen den beiden Eisbergen eingeklemmt wird, darum habe ich es einfach gestrichen. So sparten sich die Helden viel Zeit.
Warum befindet sich der Treffpunkt an dieser Stelle und nicht weiter im Norden? Wenn man sich die Karte auf S. 24 anschaut, wäre es viel sinnvoller, ganz oben anzulanden, dann muss man nur noch 30 Meilen oder so durchs Eis reisen und erreicht die Ausläufer von Yetiland.
Beim Aufbau des Lagers habe ich Gerrits Vorschlag für das 8. Abenteuer ausprobiert: Ich habe ihnen ein Blatt Papier gegeben, die Umrisse des Packeises eingezeichnet und ihnen dann gesagt, sie sollen das Lager malen. Das hat einigermaßen gut funktioniert. Ich wollte hauptsächlich testen, wie die Spieler auf diese Vorgehensweise reagieren. Im 8. Abenteuer werde ich dann wohl erneut so vorgehen.
Spannend fand ich den Streit zwischen Shaya und Firunjar. Die Idee dazu stammt aus dem Hörspiel, wo Shaya eine Liturgie spricht, um die Kälte zu vertreiben usw.. Der Spieler hat sich Mühe gegeben, gegen Shaya zu argumentieren und hat hier seinen Charakter sehr schön ausgespielt. Überhaupt war diese Sitzung eine besondere Sitzung für Firunjar, wie später noch zu lesen sein wird. Fast wäre es auch seine letzte gewesen...
26. Firun, Packeis vor Yetiland
Am nächsten Morgen nahm Phileasson sich die Helden beiseite und erklärte ihnen ihre Aufgabe: Sie sollten mit einem der Eissegler vorausfahren und die Gegend auskundschaften, während die beiden anderen Eissegler bei den Hundeschlitten verbleiben sollten. Vier Mannschaftsmitglieder sollten bei der Seeadler bleiben. Am Abend sollten die Helden dann zur Hauptgruppe zurückkehren und Phileasson Bericht erstatten. Da auf dem Eissegler nur für sechs Personen Platz war, beschloss Firunjar seinen treuen Goblindiener Karrka bei der Hauptgruppe zurück zu lassen. Alle waren schon dabei, sich für die Reise auszurüsten, als TiaLi plötzlich von Zweifeln geplagt wurde. Sie befand sich in einem Dilemma: Einerseits wollte sie ihre Freunde auf der Reise mit dem Eissegler begleiten, andererseits wollte sie ihre Wölfin Rael, die als neue Anführerin des Hunderudels bei der Hauptgruppe bleiben würde, auf keinen Fall alleine lassen. Erst nach einer langen Diskussion mit ihren Gefährten ließ sie sich schweren Herzens umstimmen und machte sich zur Abfahrt bereit. Auch der Firnlauki hatte beschlossen im Lager zu bleiben. Über Nacht hatte er einen prächtigen Eispavillon mit einer riesigen Kuppel, kunstvollen Verzierungen und filigranen Eiszapfen erschaffen, der nun im Licht der aufgehenden Sonne beinahe in Flammen zu stehen schien.
So rasten die sechs Helden unter Lialins Führung mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit über das Eis gen Norden, bis sie nach einiger Zeit auf eine Gletscherspalte von gewaltigem Ausmaß trafen, die ihnen den Weg versperrte. Lorion untersuchte die Umgebung und sah, dass die Spalte viele Meilen lang und an der größten Stelle mehrere hundert Schritt breit war. Doch es gab eine Stelle, an der der Abstand nur drei Schritt betrug. Die Helden diskutierten über ihre Möglichkeiten, eine Brücke zu bauen, und entschlossen sich dann die Spalte in Richtung Osten weiter zu erkunden.
Sie fuhren schon eine ganze Weile, als Lorion, der am Bug saß und die Gegend im Auge behielt, ein großes Loch im Eis vor ihnen sah. Lialin wollte dem Hindernis einfach ausweichen und dann weiterfahren, aber als Lorion erwähnte, dass das Loch offenbar mehrere Schritt durchmaß und einen perfekten Kreis bildete, drängte Dimeus sie dazu anzuhalten.
Obwohl sie erst knapp zwei Stunden unterwegs waren, fühlten sich Dimeus' Glieder fast taub an, und so stürzte er beim Versuch, aus dem Eissegler zu steigen, in den Schnee. Dann band er sich ein Seil um und befestige es am Eissegler, näherte sich vorsichtig dem Loch und legte die letzten Schritte sogar auf allen Vieren zurück. Das Loch war etwa drei Schritt im Durchmesser, drei Schritt tief und durchbrach damit die Eisschicht an dieser Stelle. Es war vollkommen rund und wies keine Bruchstellen oder Werkzeugspuren auf. Mit Hilfe eines Odem entdeckte Dimeus schwache Rückstände von Magie. Lialin untersuchte das Loch ebenfalls und fand gewisse Ähnlichkeiten zu dem Zauber, mit dem sie am Vorabend ihre Eishütte geformt hatte. Diese Erkenntnis ließ sie erschaudern: „Was für Mengen an astraler Kraft müssen nötig gewesen sein, um so viel Eis zu verformen!“ Lorion, Firunjar und TiaLi sahen einige Spuren, die aus dem Loch kamen und davon weg führten. Es schien sich um ein Wesen mit mehr als vier Gliedmaßen zu handeln. Alle überlegten, worum es sich handeln könnte, und schließlich war sich TiaLi sicher: Es musste ein Gorku gewesen sein, ein Frostwurm!
Nun wollte niemand länger in der Nähe des Loches verbleiben. Auf dem Weg zum Eissegler blickten die Helden zum Himmel und sahen mit Schrecken, dass während ihrer Unterhaltung das Wetter umgeschwungen war. Nun zog ein Sturm herauf, der schon in wenigen Augenblicken über sie hereinbrechen würde! Unter Lorions Führung suchten sie nach einem geschützten Ort und fanden glücklicherweise einen kleinen Eisberg, an dessen windgeschützter Seite sie sich schnell ein Lager aufbauten. Dimeus konstruierte aus zwei Speeren und einer Decke einen Windfang, die anderen drehten einfach den Eissegler um und versteckten sich darunter. Dann verschwand die Welt im dunklen Tosen des Sturms...
Anmerkungen:
Die Spieler haben nicht genau verstanden, was ihre Aufgabe ist. Phileasson sagte ihnen, dass sie den Weg für die Hauptgruppe auskundschaften sollen, aber die Spieler haben es so verstanden, dass sie zum Yetiland vorreisen und dort warten sollen. Darum kam schnell die Idee auf, die Elfen könnten doch mit ihren Raketenpferden voraus reiten, weil sie so noch schneller wären, oder Lialin könnte mit einem Luftgeist fliegen. Mal ganz davon abgesehen, dass es eine absolut bescheuerte Idee ist, alleine oder nur zu zweit durch das ewige Eis zu reisen, haben die Spieler hier zwei Dinge nicht berücksichtigt, was mir ziemlich auf die Nerven gegangen ist: Erstens hat Phileasson ihnen einen klare Aufgabe gegeben (Nehmt den Eissegler und erkundet, kommt abends zurück), und auch wenn es anfangs nicht ganz verständlich war, hätte den Spielern auffallen müssen, dass ihre Ideen nicht zu Phileassons „Befehl“ passen. Zweitens sollten sie zusammen, als Gruppe handeln, aber ihre Ideen sahen alle Egotrips vor: Alleine mit dem Pferd reisen, alleine mit einem Luftgeist fliegen. Dieses Vorgehen hätte dann dafür gesorgt, dass die nicht beteiligten Spieler nur rumsitzen und nichts zu tun haben. Außerdem wäre der Aufwand für mich als Spielleiter ebenfalls größer geworden. Es ist immer anstrengend, wenn die Gruppe sich aufteilt und ich zwischen sechs verschiedenen Szenen hin- und herspringen muss, statt eine zu leiten.
TiaLis Dilemma passt in dieses Problem hinein, auch wenn hier der Charakterhintergrund ausschlaggebend war. Der Spieler hat verkündet, dass seine Heldin auf jeden Fall bei der Wölfin, also auch bei der Hauptgruppe bleiben muss, und wollte allen Ernstes genau das tun, auch wenn das für ihn bedeutet hätte, dass er den Rest der Sitzung nichts mehr zu tun hat. Die anderen Spieler/Helden haben sich leider keine Mühe gegeben, die Heldin ingame umzustimmen (keine Diskussion, Überreden etc.), sodass wir erst eine Raucherpause machen und das Problem outgame lösen mussten.
Solotrips dieser Art sind schon seit langer Zeit ein Problem in unserer Gruppe. Meistens liegt es am Charakterhintergrund, der konsequent durchgezogen wird. Ein Beispiel aus der Orklandtrilogie dazu: Die Helden wollen eine Höhle erkunden, in der telepathisch veranlagte Spinnen hausen. Der Elf will aus irgendeinem Grund nicht mitkommen, setzt sich draußen hin und spielt auf seiner Flöte. Outgame durfte der Spieler dann knapp zwei Stunden zugucken, weil er sich partout geweigert hat seine Gruppe zu begleiten und ich keine Lust hatte, ihn separat zu bespaßen. Ich kann ja verstehen, wenn jemand seinen Helden konsequent ausspielt, aber gerade bei einer großen Gruppe muss man Kompromisse eingehen. An der Stelle habe ich mich einfach geärgert.
Das Abenteuer platziert die Gletscherspalte als Hindernis, um die Helden einen Umweg nach Osten fahren zu lassen. Alle vom Abenteuer vorgesehenen Begegnungen passieren auf dieser Route, die vorher Beorn schon genommen hat. Aber leider wird nicht genug auf die Möglichkeit eingegangen, eine Brücke über die zwei (!) Schritt breite Spalte zu bauen. Zwar erwähnt das Abenteuer die beiden Zauber Solidirid und Weiches Erstarre, geht aber offenbar davon aus, dass kein Held sie beherrscht, da es keine Ereignisse oder Begegnungen auf dieser zweiten Route gibt (siehe Karte S.24).
In meiner Gruppe gab es gleich zwei magische Möglichkeiten zum Brückenbau: Metamorpho Gletscherform (Eis zu Brücke verformen) und Solidirid Weg aus Licht (unsichtbare Brücke). Die Spieler/Helden haben sich auch schnell dazu entschlossen, genau das zu tun, sprich die Reise zum Yetiland wird nicht Beorns Route folgen.
Im Zusammenhang mit der Gletscherspalte kam auch die Frage nach der Sichtweite auf. Hier wäre eine Infobox sehr hilfreich gewesen, weil ich nicht genau weiß, wie weit man im Ewigen Eis sehen kann. Ich habe mal festgelegt, dass bei klarem Wetter (kein Schnee, keine Wolken) 30 Meilen möglich sind, aber ich habe keine Ahnung, ob das so stimmt. [edit: Der Wikipedia-Artikel dazu ist ganz nützlich.]
Der Spieler des Magiers gab sich hier bei der Beschreibung seines vorsichtigen Vorgehens sehr große Mühe, weil er in seiner Jugend schon einmal einen Magier in die Phileassonsaga geführt hatte, der allerdings im gleich folgenden Schneesturm erfror. Die Saga wurde danach nicht weitergeführt.
Mir gefällt die Idee, dass Frostwürmer im Ewigen Eis nach dem Schwarzen Auge suchen, darum wollte ich mehrfach Spuren von ihnen einbauen. Ich habe die Szene eher improvisiert als vorbereitet, deshalb bin ich auch davon ausgegangen, dass ein Frostwurm eine magische Möglichkeit hat ein drei Schritt großes und tiefes Loch im Eis zu erschaffen. Laut LC wäre das aber eine ziemlich kostspielige Angelegenheit, das könnte sich der Frostwurm mit seinen maximal 30 AsP gar nicht leisten, zumindest nicht mehrfach am Tag. Hier zeigt sich auch ein altbekanntes Problem mit den Werten von NSCs und vor allem Tieren/Monstern im ZBA. Die Werte eines Frostwurmes sind viel zu schlecht. Falls es zu einem Kampf zwischen den Helden und einem Frostwurm kommen sollte (und diese Option halte ich mir offen), sollte der Drache auf jeden Fall auch eine Gefahr darstellen und einen harten Kampf liefern.
Der Schneesturm
Gerade noch rechtzeitig konnten die Helden sich vor der Gewalt des Sturmes in Sicherheit bringen. TiaLi fing erneut an zu singen und zu tanzen, um die Geister um Hilfe zu bitten. Schlagartig wurde es windstill und ein wenig wärmer in ihrem kleinen Unterschlupf, doch diese Anstrengung war zu viel für TiaLi, weshalb sie bewusstlos zu Boden sank. Blut floß aus ihrer Nase und sie war sehr blaß. Weil ihre Gefährten sich große Sorgen machten, versetzte Lavandiel sie in einen Zauberschlaf.
Es war kalt, dunkel und eng unter dem Eissegler. Draußen tobte der Sturm unerbittlich, drinnen drängten sich die Helden dicht aneinander und harrten im blassen Schein von Lavandiels Gwen-Petryl-Stein aus. Doch der Sturm legte sich nicht. Stunde um Stunde verging, ohne dass der Wind nachließ. TiaLis Zauber verging, es wurde wieder kälter und windig. Die beklemmende Enge setzte Lavandiel immer heftiger zu. Dimeus versuchte, sie mittels Magie abzulenken, und ließ einen Schneeball im Kreis schweben, doch das konnte Lavandiels Angst nicht lange mildern. Sie geriet in Panik, schlug wild um sich, bekam keine Luft mehr und die Dinge überstürzten sich: Sie versuchte den Eissegler umzustoßen, um nach draußen zu gelangen. Jemand hielt sie fest, rang mit ihr, andere redeten ihr gut zu, jemand versuchte TiaLi zu wecken, Fäuste flogen, Dimeus versuchte Lavandiel zu versteinern. Dann ertönte über das Heulen des Windes Firunjars Stimme, er packte Lavandiel und blickte sie grimmig an, während er Firun bat, Lavandiel mit seiner eisigen Kälte zu erfüllen, damit sie ihre Angst bekämpfen konnte. Lavandiel starrte Firunjar an und sah, dass ihr Gefährte mehr war als nur ein Mensch: In diesem Moment glich er mehr einer Naturgewalt, stark und fest entschlossen. Das Tosen des Sturms schwand zu einem Flüstern, ihr Atem ging wieder normal und sie entspannte sich.
Alle waren erschöpft und niedergeschlagen, darum nutzten sie die Möglichkeit und versuchten sich so gut wie möglich zu erholen. Dann endlich, nach über zehn Stunden, hörte es auf zu stürmen. Schnell befreiten sie den Eissegler vom Schnee und machten ihn fahrbereit, um zu Phileasson zurückzukehren. Alle gingen an Bord, außer Firunjar. Er hatte die ganze Zeit etwas abseits gestanden und dem Wind gelauscht. Da war eine Stimme, die nach ihm rief. Er überlegte einen Moment, ob er seine Gefährten darauf hinweisen sollte, doch dann kam er zu einem anderen Entschluss. Er erklärte seinen Freunden, dass er sie verlassen müsse, da Firun eine Aufgabe für ihn habe. Dimeus wurde plötzlich sehr wütend und fing an mit Firunjar zu streiten. Er brüllte ihn an, weil er nicht glauben konnte, dass Firunjar seine Gefährten im Stich lassen wollte. Firunjar blieb währenddessen ganz ruhig und erklärte Dimeus, dass sie auch ohne ihn zurecht kommen würden, da er ihnen viel beigebracht habe, doch das überzeugte den Magier nicht: Voller Abscheu spuckte er dem Firungeweihten vor die Füße und ließ ihn alleine stehen. TiaLi brach in Tränen aus. Firunjar wandte sich schon zum Gehen, als Dimeus zu ihm zurück kam. Er hatte sein Gemüt beruhigt und versuchte Firunjar zu überreden, bei der Gruppe zu bleiben. Da Firunjar aber standhaft blieb, gab Dimeus seine Anstrengungen auf. Stattdessen reichte er ihm einige Artefakte, die er auf der Reise erschaffen hatte und die Firunjar helfen sollten. Firunjar wollte diese Gaben erst nicht annehmen, doch Dimeus sprach: „Es ist Euer Glaube an Firun, der Euch dazu bringt, uns zu verlassen. Mein Glaube an Hesinde gebietet mir, Euch mit all meinem Wissen zu helfen.“ So ließ sich Firunjar doch noch umstimmen. Er nahm die Artefakte, wünschte allen Lebwohl und ging dann in die Dunkelheit, alleine. Seine Gefährten waren wie gelähmt, nur langsam konnten sie sich dazu durchringen, den Eissegler zu beladen und zu Phileasson zurückzukehren. Nur Lavandiel hatte einen anderen Plan. Ohne dass die anderen es bemerkten, folgte sie Firunjar.
Anmerkungen:
Der Schneesturm war eine der besten Szenen des Abends. Ich habe mit Hilfe von Atmosphere Lite und ein paar Soundeffekten das Ganze akustisch untermalt, außerdem habe ich eine Farbwechsellampe mit blauem Licht eingeschaltet und alle anderen Lampen im Raum ausgemacht bzw. nur eine kleine angelassen. Die Spieler konnten sich gut in die Lage versetzen und haben die Szene später sehr gelobt.
Besonders wichtig war in dieser Sitzung die Musik, vor allem ein Stück, das ich bei meinen Musiktipps schon ganz am Anfang genannt habe: Das Lied Altair/Mira vom Starbound-Soundtrack. Dieses Lied ist unglaublich schön und atmosphärisch. Als ich es das erste Mal gehört habe, war ich hin und weg, ich habe die ganze Zeit nur da gesessen und gelauscht. Ich kann jedem nur empfehlen, es sich mal in Ruhe anzuhören und dabei die Gedanken schweifen zu lassen. Das Lied dürfte an diesem Abend über mehrere Stunden gelaufen sein.
Irgendwann während des Sturmes ist dem Spieler von Lavandiel aufgefallen, dass seine Elfe Raumangst hat. Es folgte ein Chaos und Durcheinander erster Güte. Ich habe in dem Moment zu meinen Spielern gesagt: „Ich mach hier nur noch die Musik, macht, was ihr wollt!“ Sie wollten die Elfe KO-schlagen, versteinern, niederringen, verzaubern etc.. Schön, dass der Firungeweihte die Lösung hatte. Er hat ein kurzes Gebet vorgelesen, dass ich leider nicht wiedergeben kann, aber es hat sehr gut gepasst. Die Liturgie war ein Märtyrersegen, wodurch die Selbstbeherrschung der Elfe auf über 20 stieg.
Im Anschluss an den Sturm kam es zur Begegnung mit der Eisfee. Ich habe mir vorher überlegt (und ja auch einen Thread dazu gestartet), dass die Eisfee jedem Helden in anderer Gestalt erscheint. Aber ich war mir nicht sicher, wie diese Szene überhaupt funktionieren sollte. Jeder Spieler würde doch in dem Moment merken, dass irgendetwas nicht ganz in Ordnung ist, wenn die Helden gemeinsam hingehen und jeder etwas anderes sieht. Also konnte die Begegnung nur mit einem einzelnen Helden stattfinden. Da der Spieler des Firungeweihten in den letzten Sitzung eher wenig zu tun hatte und weil es vom Charakter sehr gut passte, habe ich mich dazu entschlossen, ihm einen karmalen Wink zu geben, dass Firun eine Prüfung für ihn habe. Ich habe dem Spieler einen Zettel geschrieben („Eine Stimme ruft dich...“ etc.) und ihn dann gefragt, ob er seine Gefährten informieren will oder ob er das alleine durchzieht. Er hat sich zum Glück dazu entschlossen, alleine zu gehen.
Es folgte eine sehr emotionale Diskussion. Ich sollte vielleicht hinzufügen, dass wir zu diesem Zeitpunkt schon ein paar Bierchen bzw. in meinem Fall ein paar Gläser Wein intus hatten. Das erklärt dann auch den plötzlichen Sinneswandel des Magiers.
Die Eisfee
Firunjar entzündete seine Laterne und wanderte langsam fort von den anderen. Er ging durch die Dunkelheit, lauschte dem Knirschen des Schnees und dem Knacken des Eises unter seinen Stiefeln. Es schneite heftig, der Wind wehte ihm eisig ins Gesicht. Er nahm kaum etwas davon wahr, denn in seinen Gedanken war er auf der Suche, auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, die ihn schon seit geraumer Zeit umtrieb. Was verlangte Firun von ihm? Was war seine Aufgabe und wohin würde ihn sein Weg führen? Er hatte in den letzten Wochen immer wieder zu Firun gebetet, hatte um Stärke gebeten, hatte seinen Gefährten und der Mannschaft von Firun erzählt und versucht ihnen klar zu machen, dass nur die Starken und Entschlossenen überleben würden, und dass auf dieser Fahrt ein jeder von ihnen geprüft werden würde. Aber war er selbst in der Lage Firuns Weg zu gehen? War er bereit? War er stark genug? Oder würde er versagen?
Er verlor sein Zeitgefühl und stapfte weiter durch den Schnee, als er plötzlich eine Gestalt vor sich ausmachte. Die Gestalt war menschengroß und in dicke Pelze gehüllt. Erschöpft stolperte sie durch den Schnee, fiel immer wieder zu Boden und raffte sich mühsam auf, um weiter zu gehen. Firunjar näherte sich und erschrak, als er sah, wer ihm hier in der Eiswüste in die Arme gelaufen war: Es war Lenya, die Traviageweihte, die Beorn begleitete. Sie war leichenblass, die Lippen tiefblau angelaufen. Sie stürzte ihm entgegen, Firunjar fing sie mit Mühe auf. Sie stammelte: „Sie haben mich im Sturm zurück gelassen. Sie sind alle weg. Es ist so kalt, Firunjar. Mir ist so kalt. Halt mich fest.“ Firunjar schloss sie in die Arme, redete ihr gut zu, versuchte sie zu wärmen. Sie schien dem Tode nahe und flüsterte immer wieder: „Es ist so kalt.“ Dann blickte sie ihm tief in die Augen. Sie war so blass wie der Schnee in ihrem Haar, aber wunderschön. „Küss mich, Firunjar“, flüsterte sie ihm zu, „Küss mich, Firunjar“, immer wieder, „Küss mich Firunjar.“ Und er küsste sie.
Die Wärme wich aus seinen Händen, seinen Armen, Lenya schien es etwas besser zu gehen, aber es war nicht genug. Sie bat ihn wieder: „Küss mich, Firunjar. Es ist so kalt.“ Er legte ihr die Hand auf die Brust und begann zu Firun zu beten, er flehte die Götter an, Lenya neue Kraft zu schenken. Doch sie nahm seine Hand, umschloss sie mit der ihren, schaute ihn erneut flehend an: „Ich brauche keine Hilfe von Deinem Gott. Nur Du kannst mir helfen. Nur du kannst mich retten. Wenn Du mir nicht hilfst, werde ich sterben. Bitte, küss mich, Firunjar. Es ist so kalt.“ Und er küsste sie erneut.
Die Wärme wich aus seinen Füßen, aus seinen Beinen, Lenya schien es etwas besser zu gehen, aber es war nicht genug. Sie bat ihn wieder: „Küss mich, Firunjar, es ist so kalt.“ Er zitterte inzwischen selbst, die Kraft wich langsam aus seinem Körper: „Diese Küsse rauben mir meine Kraft. Es muss eine andere Lösung geben. Ich kann so nicht weitermachen.“ Eine einzelne Träne rann über ihr wunderschönes, kaltes Gesicht. „Mein Leben liegt in Deiner Hand. Ich brauche Dich. Ohne Dich werde ich sterben. Bitte, küss mich, Firunjar. Es ist so kalt.“ Und er küsste sie zum letzten Mal.
Die Wärme wich aus seiner Brust, aus seinem Herzen, und endlich war es genug.
Der Wind erstarb, es wurde langsam dunkler. Firunjar sank kraftlos zu Boden. Er versuchte sich an Lenya festzuhalten, versuchte stark zu sein, gegen die Kälte anzukämpfen, aber er hatte keine Kraft mehr. Er wollte zu Firun beten, doch kein Wort kam über seine eisblauen Lippen. Lenya schaute ihn traurig an: „Danke, Firunjar. Du hast mir so viel gegeben. Nun schlaf...“ Dann wandte sie sich von ihm ab. Die Welt versank im Dunkel. Ein letzter Atemzug, dann war es vorbei.
Lavandiel folgte seinen Spuren schon einige Zeit, als sie das Licht seiner Laterne in weiter Ferne erblickte. Sie näherte sich weiter, als das Licht plötzlich erlosch. Lavandiel rannte los und fand Firunjar, der leblos auf dem Boden lag. Neben ihm schwebte eine geisterhafte Erscheinung. Für einen Moment glaubte Lavandiel Uhm-Uhm zu sehen, dann verschwand das Wesen in den Schneeflocken. Schnell schaute sie nach, ob Firunjar noch lebte, doch er schien bereits tot zu sein. Erst als sie einen Zauber wirkte, erkannte sie, dass noch ein kleiner Lebensfunke in ihm war. Lavandiel steckte ihm eine der roten Kugeln in den Mund, die sie damals von Hetfrau Garhelt erhalten hatten und die ihnen schon mehrmals aus brenzligen Lagen geholfen hatten. Nach einigen Augenblicken kehrte das Leben in Firunjar zurück. Mit Lavandiels Hilfe machte er sich auf den Rückweg.
Unterwegs trafen sie auf die anderen Gefährten, die inzwischen bemerkt hatten, dass Lavandiel verschwunden war und nach ihr suchten. Alle waren froh, ihn wieder zu sehen, doch Firunjar gab Dimeus nur wortlos seine Artefakte zurück und ging an ihnen vorbei. Alle folgten ihm, Dimeus versuchte vorsichtig ihn zu befragen, was passiert war. Doch Firunjar ließ sich nur wenige Worte entlocken. Er sprach von einer Prüfung, die Firun ihm auferlegt hatte, und dass er versagt habe. Aber er würde das Geheimnis dieser Prüfung mit ins Grab nehmen.
Zurück im Lager diskutierten die Helden lange Zeit darüber, was sie nun tun sollten. Sie sprachen auch über die verschiedenen Götter, denen sie huldigten, und rätselten mit Lavandiel, was für ein Geschöpf Firunjar dort draußen getroffen hatte. Irgendwann konnte TiaLi nicht mehr an sich halten. Sie rief erneut die Geister zu Hilfe und rannte dann, von einem Luftgeist erfüllt, alleine zurück zu Phileassons Lager. Dort angekommen brach sie vor Erschöpfung erneut zusammen. Phileasson fand sie und kümmerte sich um sie. Danach setzte sich TiaLi zu Ynu, unterhielt sich ein wenig mit ihm und bekam ein paar Rauschkräuter.
Lorion rief in der Zwischenzeit ein Elfenpferd zu Hilfe und gemeinsam reisten alle zurück zum Hauptlager. Nach knapp zwei Stunden kamen sie endlich an und fielen erschöpft in die Iglus.
Anmerkungen:
Das war mit Abstand eine der schwierigsten, aber auch schönsten Szenen, die ich je in meinem Rollenspielleben gemeistert habe. Schwierig vor allem deshalb, weil die Szene allein von den Emotionen lebt. Ich habe keine einzige Probe verlangt, nichts ausgewürfelt, es ging alleine darum eine Rolle auszuspielen.
Ich habe meinen Mitspielern vor der Szene gesagt, dass der Firungeweihte jetzt ein kurzes Soloabenteuer haben würde und sie vor die Entscheidung gestellt, ob sie dabei sein wollen oder nicht. Fast alle haben glücklicherweise eine ausgiebige Raucherpause gemacht, nur der Spieler von Lavandiel ist geblieben, was aber in Ordnung war. Wenn alle dabei geblieben wären, hätte die Szene wohl längst nicht so gut funktioniert. Der Spieler von Lavandiel war völlig ruhig (er hatte ja auch niemanden, mit dem er reden konnte), die ganze Zeit über haben also nur Firunjar und Lenya miteinander geredet, zwischendurch kamen noch Beschreibungen von mir als Meister. Ansonsten keinerlei Ablenkung, keine schlechten Witze, keine Fragen, keine Anmerkungen. So ist den anderen Spielern zwar eine wunderschöne Szene entgangen, aber ich fürchte, es war so das Beste. Irgendwann kamen die anderen Spieler zurück, aber zum Glück hatte ich vorher die Wohnungstür nur angelehnt und niemand hat geklingelt.
Die Szene begann mit einer langen Beschreibung durch mich, der Spieler hat einfach nur zugehört. Ich habe mir zu dieser Szene nur ein paar Stichpunkte notiert und den Rest komplett improvisiert. Der Wein und die traumhafte Musik haben mich offenbar so sehr inspiriert, dass weitere Vorbereitung unnötig war. Das, was ich da oben versucht habe zu schildern, reicht bei weitem nicht aus, um zu beschreiben, wie intensiv die Szene war. Ich wünschte, ich hätte wenigstens diese Szene aufgenommen (mit dem Gedanken habe ich kurz gespielt).
Ich habe Lenya als Erscheinungsform der Eisfee ausgewählt, weil der Firungeweihte in Thorwal eine kurze Begegnung mit ihr hatte und weil ich von ihr ein sehr schönes Bild habe (aus dem Film Beowulf; links). Die Alternative wäre der Goblin Karrka gewesen, aber das hätte wohl kaum so gut funktioniert!
Ich habe eben schon geschrieben, dass diese Szene schwierig für mich war. Um das noch einmal zu verdeutlichen, stelle man sich vor, wie es am Spieltisch aussah: Zwei Mittzwanziger in schwarzen Metalbandshirts sitzen sich gegenüber und der eine flüstert dem anderen immer wieder mit hoher Stimme zu: „Küss mich, halt mich fest.“ Liebe und Sexualität im Rollenspiel auszudrücken gehört mMn zu den anspruchsvollsten Aufgaben, denn nur allzu leicht kann man ins Lächerliche abrutschen.
Wie schon erwähnt gab es keine Würfelproben, sondern ich habe versucht den Spieler/Helden zu überreden, die Eisfee weiter zu küssen und die Auswirkungen nur beschrieben, nicht aber LeP abgezogen. Anfangs wollte mich mir notieren, wie viele SP er durch einen Kuss oder eine Umarmung bekommt, aber das habe ich schnell aufgegeben und mich für die alte Dreier-Regel entschieden: Drei Küsse → tot.
Der Spieler hat definitiv Verdacht geschöpft und wollte zwischendurch auch aufhören. Ich musste mich ziemlich ins Zeug legen, um es seinem Helden so schwer wie möglich zu machen. Teilweise hatte ich bei meinen Beschreibungen fast selbst Tränen in den Augen.
Eigentlich wollte ich ein anderes Lied einsetzen, um die Begegnung mit der Eisfee zu untermalen, nämlich [Lady of Winter] vom Pakt der Wölfe-Soundtrack. Aber als die Eisfee auftauchte war Mira/Altair gerade noch am Laufen und die Spannung war so intensiv, dass ich es nicht gewagt habe, das Lied zu wechseln. Außerdem hat die Szene insgesamt sehr lange gedauert (ich schätze mal 45Minuten, aber ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung), d.h. das Lied hätte 20 mal von vorne angefangen. So musste ich Mira/Altair nur zwei oder dreimal neu starten und man konnte den „Loop“ nicht heraushören. Zusätzlich habe ich Windgeräusche im Hintergrund laufen lassen und die blaue Lampe war auch noch an.
Ebenfalls zum Glück ist Lavandiel dem Firungeweihten gefolgt, denn sonst wäre der gute Firunjar jetzt tot. Ich habe kurz mit dem Gedanken gespielt, auch Lavandiel eine Begegnung mit der Eisfee zu verschaffen, aber einerseits hatte ich für sie keine geeignete Erscheinung, sondern nur den Affenmenschen Uhm-Uhm (der nicht sprechen kann), zum anderen dachte ich mir, dass diese Begegnung einzigartig sein sollte. Bei den roten Kugeln handelt es sich um Wundermedizin aus der Orklandtrilogie. Jeder Held hat eine Kugel bekommen, die einmal alle Verletzungen heilt und die LeP auffüllt. Der Firungeweihte hält den Rekord und hat inzwischen drei Kugeln verabreicht bekommen, Lavandiel eine. Zwei dürften also noch übrig sein.
27. Firun, Packeis vor Yetiland - Die Eisigel
Am nächsten Morgen fuhren die Helden erneut mit dem Eissegler voraus. Die Ereignisse des gestrigen Tages waren nicht spurlos an ihnen vorbeigegangen. TiaLi hatte sich von Ynu einen kleinen Vorrat an Rauschkräutern besorgt. Im Gegenzug hatte sie einen Geist beschworen, der Ynu für eine Woche ein wenig wärmen würde. Während der Fahrt unterhielt sie sich mit Lavandiel und versuchte ihr die Angst vor engen Räumen zu nehmen. Dimeus hingegen war sehr schlecht gelaunt. Nachdem er schon am Abend ordentlich dem Alkohol zugesprochen hatte, ließ er sich auch an diesem Tag buchstäblich volllaufen und übergab Lialin sein Diarium, damit sie an seiner Stelle die Ereignisse des Tages festhielt.
Die Helden fuhren zurück zu der Stelle an der Gletscherspalte, die sich für eine Überquerung anbot, und stimmten dann darüber ab, ob sie eine Brücke bauen oder einen Umweg suchen sollten. Sie stimmten dafür eine Brücke zu bauen, fuhren dann aber trotzdem weiter in Richtung Osten, um die Gegend zu erkunden.
Nach einiger Zeit sahen sie seltsame Eisgebilde vor sich und hielten an. Es handelte sich dabei um große Eiskugeln, die bis zu fünf Schritt im Durchmesser waren und aus denen lange Eisstachel wuchsen. Auf der weiten Eisfläche mussten Dutzende, wenn nicht gar hunderte dieser „Eisigel“ liegen. Der Wind wehte um die Stacheln herum und rief die sonderbarsten Töne hervor.
Von Neugier getrieben ging Dimeus bis auf fünf Schritte an eine der Kugeln heran und begann einen Odem zu wirken, als TiaLi neben ihn trat. Sie hielt ihre Knochenkeule in Richtung der Kugeln, woraufhin diese anfing zu rasseln. Hier wirkte also Magie! TiaLi bekam ein ungutes Gefühl und wollte wieder zurück zum Eissegler gehen, der in sicherer Entfernung stand. Doch plötzlich hörten Dimeus und sie ein furchteinflößendes Geräusch: Das Eis unter ihnen knackte! Risse erschienen in der Eisdecke, Wasser quoll hervor – und einer der Eisigel fing an sich zu bewegen. Die beiden warfen ihre Angst über Bord und wandten sich zum Gehen, als der Eisigel plötzlich explodierte und seine scharfen Stacheln in alle Richtungen verschoss. TiaLi wurde getroffen und zu Boden gerissen. Dimeus holte schnell eines seiner Artefakte, eine einfache Ledermütze, aus seiner Tasche und setzte sie sich auf. Dann stellte er sich schützend vor TiaLi, um eine neue Welle von Eisstacheln abzuwehren, denn immer weitere Eisigel rollten langsam heran und explodierten, sobald sie in die Nähe der Helden kamen.
Die beiden Elfen hatten bereits ihre Bögen gezogen und schossen aus der Entfernung auf die Eiskugeln, doch es hatte kaum Auswirkungen. Firunjar rannte zu Dimeus hinüber, während Lialin anfing einen Wirbelsturm zu beschwören. Weitere Eisstacheln sausten durch die Luft und TiaLi verlor das Bewusstsein. Blut floß aus einer Wunde in ihrem Bein. Dimeus wurde von Eisstacheln regelrecht durchlöchert, aber dank seines Artefaktes konnte er es aushalten. Gemeinsam mit Firunjar brachte er TiaLi in Sicherheit, doch ein letzter Eisspeer riss auch ihn zu Boden und brachte ihn in Lebensgefahr. Lialin vollendete endlich ihren Zauber und fegte die ganze Eisigelkolonie mit einer Windhose hinfort.
Die Verletzten wurden gerettet und die Helden setzten ihre Reise fort.
Anmerkungen:
Anfangs hatten wir wieder eine nervige outgame-Diskussion, weil die Spieler sich erneut aufteilen wollten. Es war zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich spät, fast 4Uhr morgens (die Zeitumstellung schon eingerechnet) und wir hatten recht viel getrunken. Das machte sich dann auch bemerkbar.
Ich habe bei Youtube ein Video von einer Aeolsharfe gefunden, so in etwa soll sich laut Abenteuer das Geräusch anhören, das der Wind macht, wenn er durch die Eisigelkolonie fährt. Ich finds sehr atmosphärisch, ich glaube, das kam auch gut an.
Die Eisigel beeinflussen ihre Opfer mental und konfrontieren sie mit ihren Ängsten, um sie zu lähmen. Ich fand es sehr schwierig, hier individuelle Ängste der Helden zu bestimmen. Außerdem fällt den Spielern ja auf, wenn jeder etwas anderes sieht, und dann überlegen sie, dass es vielleicht eine magische Beeinflussung sein könnte etc., d.h. die Szene ist nicht so spannend, weil die Spieler auf der Metaebene analysieren. Im Eis einzubrechen dürfte aber zum einen die Ängste der Helden gut treffen und zum anderen als mögliche reale Bedrohung durchgehen.
Wenn man die Eisigel so einsetzt wie ich, also nicht nur einen explodieren lässt, sondern immer weitere, dann ist die Begegnung mit ihnen extrem tödlich. Drei Helden wären beinahe draufgegangen; TiaLi war bei -7LeP, Dimeus bei -3, Firunjar musste am Ende beide raustragen und hat auch ordentlich was abbekommen. Vielleicht wäre es besser, nur einen Eisigel explodieren zu lassen.
Das Ende der Sitzung kam dann etwas abrupt, da es mittlerweile schon fast 5Uhr war. Einen Cliffhanger wollte ich dann auch nicht mehr einbauen, die Gründe dafür habe ich ja oben geschildert.
Nach jeder Sitzung frage ich meine Spieler, was ihnen am besten gefallen hat und was gar nicht. Dieses Mal lobten sie die Musik und meine Beschreibungen, den Schneesturm, das gute Rollenspiel und die Interaktionen zwischen den Helden. Nicht gut fanden sie die outgame-Diskussionen und dass manche Szenen sich etwas zu lange hingezogen haben.
Das war die fünfte Sitzung und wir sind immer noch nicht im Yetiland! Aber nächstes Mal, versprochen!
Aus dem Nebel ertönte ein weiteres Mal der Klang einer Schiffsglocke, doch noch konnte man kein Schiff entdecken. Schnell breitete sich die Angst unter den Matrosen aus. Hatte Ohm ihnen nicht nur eine Schauergeschichte erzählt? Waren sie tatsächlich im Begriff von einem Geisterschiff in die Verdammnis gezogen zu werden? Einige der Thorwaler griffen zu ihren Waffen, andere verfielen in Panik und beteten eilig zu Swafnir. Dimeus schaute zurück zur Stern von Riva, doch im Nebel konnte er nicht einmal mehr das Begleitschiff sehen, obwohl es doch nur wenig hinter ihnen fahren sollte. Lorion kletterte auf den Mast und starrte angestrengt in den Nebel, doch immer noch war nicht zu erkennen, woher der Klang der Glocke stammte. Lialin rannte zum Bug, legte eine Hand, zum Trichter geformt, an ihren Mund und stieß kräftig den Atem aus. Durch den Zauber wurde der Nebel vor ihnen langsam verdrängt und sie konnten immer weiter sehen. In einiger Entfernung entdeckten sie die schemenhaften Umrisse eines Schiffes, da rief eine geisterhafte Stimme zu ihnen herüber: „Wir kommen zu Euch!“
Weitere Waffen wurden gezogen, Firunjar versuchte die Männer zu beruhigen und Lorion starrte weiter in den Nebel. Die geisterhafte Stimme sprach weiter zu ihnen und die Elfen riefen zurück. Nach einer schieren Unendlichkeit erkannten sie, dass es sich nur um ein kleines Boot mit Robbenfängern handelte. Die Helden überließen es Phileasson, mit dem Kapitän der Robbenfänger Neuigkeiten auszutauschen, und erfuhren so, dass Beorn ihnen drei Tage voraus war. Lorion gab den Robbenfängern ein paar Äpfel von seinem magischen Baum und erhielt im Gegenzug von ihnen Robbenfleisch. Kurz darauf trennten sich die Wege der beiden Schiffe wieder und die Seeadler setzte ihre Reise gen Norden fort. TiaLi bat den Firnlauki (Eisdschinn), die Seeadler vor den Gefahren des Eises zu beschützen, und so wurde ihr Vorankommen nicht durch Eisschollen oder Eisberge behindert. Allerdings fühlte der Firnlauki, der in Gestalt eines kleinen Eisberges vor dem Bug der Seeadler trieb, sich in der Nähe des Bootes, des Baumes und der Fackeln, die die Wachen an Deck trugen, nicht wohl, weshalb er die Temperatur um einiges herabsenkte. Nach kurzer Zeit wollte niemand mehr am Bug sitzen.
Sie fuhren den Rest des Tages durch den dichten Nebel und machten erst Halt, als die Nacht über sie hereinbrach und die Weiterfahrt zu gefährlich wurde. Die Mannschaft versuchte sich auszuruhen, aber viele fanden nur einen unruhigen Schlaf. Dann sahen die Helden plötzlich, wie ein kleines, bläuliches Schimmern unter dem Boot hervordrang und sich langsam, ruckartig fortbewegte. Eine weitere Lichtkugel tauchte auf, dann noch eine, noch eine, bis schließlich mehrere Dutzend das Wasser in großem Umkreis um die Seeadler in ein gespenstisches Licht tauchten. Immer wieder hörten die Helden schwappende und platschende Geräusche aus dem Wasser, sie sahen schemenhafte Gestalten durch das Wasser tauchen, doch sie konnten sich nicht erklären, was es damit auf sich hatte. Die Helden vermuteten, dass es sich bei den Leuchtkugeln um Irrlichter handeln könnte, waren sich aber nicht sicher. Aus Neugier sprach Dimeus einen Odem und modifizierte ihn so, dass er die Umgebung des Schiffes untersuchen konnte. Doch die Leuchtkugeln waren offenbar nicht magischer Natur. Er wollte gerade seinen Blick wieder abwenden, als er eine große Ansammlung astraler Kraft wahrnahm, die schnell unter dem Boot her tauchte.
In der Zwischenzeit untersuchte auch Lavandiel die seltsamen Leuchtkugeln mit Hilfe ihrer Magie und sprach einen Exposami: Sie sah Dutzende, wenn nicht gar hunderte kleiner grüner Kugeln aufleuchten, das Wasser war voll von ihnen! Daraufhin versuchten die beiden Elfen sich durch einen Zauber Zugang zu den Gedanken der seltsamen Wesen zu verschaffen, um herauszufinden, ob sie oder das unbekannte Wesen, das Dimeus entdeckt hatte, eine Gefahr für die Seeadler darstellten. Von den leuchtenden Wesen vernahmen sie aber nur eintönige Eindrücke. Dann hörten alle aus einiger Entfernug ein furchteinflößendes Brüllen. Die Helden rätselten, was für ein Wesen sich hier herumtreiben könnte, und kamen bald zu der Überzeugung, es musste sich um einen Frostwurm handeln. Dimeus hatte in seiner Akademie Geschichten über Drachen im Ewigen Eis gehört, die nach einem besonders wertvollen Schwarzen Auge suchten, dem sogenannten Primoptolithen, und deshalb alles Schwarze sammelten. Zu ihrem Glück schien der Frostwurm, falls es sich tatsächlich darum handelte, kein Interesse an ihnen zu haben. So verging der Rest der Nacht ohne weitere Zwischenfälle.
Anmerkungen:
Die Sitzung begann wie immer etwas zäh. Wir hatten die letzte Sitzung mit einem Cliffhanger beendet, die ingame-Situation sollte angespannt und unheimlich sein. Da outgame aber draußen bestes Wetter mit Sonnenschein herrschte, kam diese Anspannung natürlich überhaupt nicht zustande. Die gesamte Szene mit dem angeblichen Geisterschiff funktionierte nicht. Das mag zum einen an der outgame-Situation gelegen haben, aber ich glaube, es war auch nicht sonderlich gut, eine Szene, die so spannend und intensiv sein soll, direkt an den Anfang der Sitzung zu legen. Natürlich ist es ein guter Cliffhanger, der die Spieler heiß macht auf die nächste Sitzung, aber zumindest in meiner Gruppe ist der Anfang immer das schwierigste. Es dauert seine Zeit, bis alles rund läuft. Wir haben zwar vorher genügend Gelegenheit, über andere Dinge zu quatschen und ich fange auch erst dann an zu meistern, wenn alle bereit sind und es keine anderen Themen mehr zu besprechen gibt. Aber trotzdem ist der Start immer zäh. Ich werde darum in Zukunft auf Cliffhanger verzichten und den Beginn der Sitzung möglichst so planen, dass die Helden sich am Anfang in einer Routinesituation befinden. Ich möchte ungern spannende Szenen dadurch verschwenden, dass sie zu Beginn der Sitzung passieren, wenn die Spieler noch keine Gelegenheit hatten in die Spielwelt einzutauchen.
Im Nachhinein betrachtet hat die Szene auch zu lange gedauert. Als klar war, dass die Helden keine Angst hatten, hätte ich die Sache auch einfach schnell auflösen können. Zumal die Olporter Magierin durch ihre Zauber den Nebel ja auch vertreiben konnte. Hier eine beklemmende und unheimliche Begegnung zu inszenieren ist nur möglich, wenn die Spieler sich auch darauf einlassen (also sich gruseln wollen) und ihre Helden keine Möglichkeit haben, etwas an der Situation zu verändern. Falls dem nicht so ist, sollte man sich nicht zu lange damit aufhalten, denn ich habe zwar versucht, die Bedrohung anhand der Reaktionen der Mannschaft darzustellen und den Helden so eine Aufgabe zu geben, nämlich dass sie die Mannschaft beruhigen, aber das wurde auch nur halbherzig unternommen. Alles in allem also wieder mal eine Szene, die leider nicht so funktioniert hat, wie ich mir das vorgestellt hatte.
Unschön auch, wie die Spieler/Helden hier Phileasson vorgeschickt haben, um mit dem Robbenfängerkapitän zu reden. Ingame ist es natürlich nachvollziehbar, weil Phileasson nun mal der Kapitän ist und der Spieler von Dimeus war sich beispielsweise nicht sicher, wieviel Phileasson den Robbenfängern preisgeben wollte. Trotzdem war es blöd, weil ich dann eine Einmannunterhaltung zwischen den beiden Kapitänen durchführen musste. Hier zeigte sich das Autoritätsproblem der Phileassonsaga zum ersten Mal: Die Spieler/Helden wälzen etwas auf Phileasson ab, weil er nunmal der Chef ist.
Erfreulicherweise hat sich niemand darüber beschwert, dass Beorn drei Tage Vorsprung hat. Die Spieler konnten es wegen der Sturmschäden und des Umwegs nach Riva gut nachvollziehen. Ich hatte vorher Bedenken, dass das für Unmut sorgen könnte, weil Beorn sie trotz ihrer guten Ideen im Vorfeld doch noch überholt hatte.
Der Eisdschinn hat den Helden die Fahrt hier sehr erleichtert, weil er Eisschollen usw. einfach beseitigt hat. Ich habe die ganze Beschwörung eher gehandwedelt, als mit den Regeln aus WdZ zu arbeiten – viel zu kompliziert und aufwändig; stattdessen einfach ein bisschen GMV, Verhandlungssache und guter Wille.
Bei den Leuchtkugeln handelte es sich – wie bei einer früheren Sitzung schon mal angemerkt – um Leuchtquallen, die völlig harmlos waren. Diese Szene hat allerdings viel besser funktioniert, weil die Spieler/Helden ahnungslos waren und die Sache untersuchen konnten.
Ich hatte eigentlich vor, erst im Packeis bzw. auf Yetiland einen Frostwurm auftreten zu lassen, aber haben mich dann dazu entschieden das vorzuziehen, um ein wenig Spannung reinzubringen. Die Spieler/Helden hatten auf jeden Fall ein wenig Bammel. Zur passenden Untermalung der Szene habe ich mir ein paar Drachengeräusche (Brüllen, Schrei) zurechtgelegt und mit einem Programm per Knopfdruck eingespielt, was ganz gut ankam.
25. Firun, Meerlunge / Treffpunkt im Packeis
Sie fuhren weiter durch den Nebel. Irgendwann erblickten die Helden auch auf der Backbordseite Packeis, bis schließlich nur noch eine kleine Fahrrinne die Fahrt durch das Eismeer ermöglichte. Der Firnlauki sorgte auch weiterhin dafür, dass der Seeadler durch Eisschollen und Eisberge kein Schaden entstand.
Nach einigen Stunden kam die Seeadler an eine Stelle, an der zwei große Eisberge den Weg versperrten. Es gab ein gewaltiges Knacken und Krachen, dann schob der Firnlauki die beiden Eisberge beiseite und die Fahrt ging weiter. Phileasson teilte den Helden mit, dass sie ohne die Hilfe des Eisgeistes wohl mehrere Stunden verloren hätten. Frohen Mutes fuhren die Helden weiter, bis der Nebel sich schließlich lichtete und sie abends zwei Schiffe in der Ferne erkennen konnten, die an der Packeisgrenze lagen. Phileasson ließ die Seeadler in der Nähe der beiden Schiffe, bei denen es sich um Beorns Seeschlange und ein großes Transportschiff handelte, anlanden, ließ sie aufs Eis ziehen und sichern. Den Helden übergab er die Verantwortung, ein Lager zu errichten und Eishütten zu bauen, was unter der kundigen Anleitung von Firunjar und TiaLi geschehen sollte. Firunjar betete zu seinem Gott Firun und bat ihn um Hilfe, um einen geeigneten Lagerplatz zu finden, was ihm schnell gelang. Er führte die Mannschaft zu einem kleinen Eisberg, der aus dem Packeis herausragte und guten Windschutz bot. Der Firnlauki folgte TiaLi ins Zentrum des Lagers und verharrte dort, eine eisige Aura um sich herum. Dimeus half dem Koch ein Feuer im Windschutz zu entfachen, während Lialin durch Zauberkraft eine Eishütte aus dem Packeis entstehen ließ. Lorion brachte seinen Apfelbaum in Sicherheit und stattete dann den beiden anderen Schiffen einen Besuch ab. Er sah, dass Beorns Seeschlange komplett verlassen und mit Schnee und Eis überzogen war. Die Mannschaft des Transportschiffes war ihm nicht freundlich gesonnen und jagte ihn fort, weshalb er nichts von ihnen erfahren konnte.
Nachdem sie Schneehütten und Zelte errichtet hatten, lieferten sich Lavandiel und TiaLi eine Schneeballschlacht mit Estel und Seti. Irgendwann warf auch der Firnlauki mit kohlkopfgroßen Eisbällen, was den anderen schnell den Spaß verdarb.
In der Zwischenzeit wurde die Ausrüstung aus der Stern von Riva ausgeladen. Die Mannschaft brachte Proviant, Eissegler und Hundeschlitten aufs Eis. Dreißig Schlittenhunde tollten herum und sprangen die Helden wie wild an. Phileasson bat die Helden, einen Zwinger für die Hunde zu erbauen, um sie dort einzusperren. Stattdessen ließ TiaLi ihren Wolf Rael einen Kampf mit dem Leithund des Rudels austragen, um die Kontrolle zu übernehmen. Die beiden Tiere lieferten sich einen heftigen Kampf, während die Mannschaft rundherum stand und das Geschehen gebannt beobachtete. Schließlich unterlag der Leithund wegen einer blutenden Wunde im Bein, die nach dem Kampf von TiaLi geheilt wurde. Danach gingen TiaLi, Lorion, Firunjar und die Schlittenhunde gemeinsam auf Jagd und erlegten vier Robben für das Abendessen.
Es dauerte mehrere Stunden, bis das Lager aufgebaut, das Schiff gesichert und die Ladung aufs Eis gebracht wurde. Dann saßen alle im Windschutz und taten sich gütlich an dem köstlichen Mahl, das der Smutje ihnen zubereitet hatte. Shaya trat an Phileasson heran: „Asleif, die Männer sehen erschöpft aus. Vielleicht sollte ich Travia um Beistand bitten...“ Doch Firunjar, der die Unterhaltung mitbekommen hatte, unterbrach sie: „Wir sind nun in Firuns Reich und hier überleben nur die Starken, die Entschlossenen, die willens sind Mühsal zu ertragen. Vor uns liegen noch harte Zeiten und Herausforderungen. Wir sollten Firun nicht verärgern, indem wir in seinem Reich vor diesem Mühsal fliehen.“ Phileasson überlegte einen Moment lang und stimmte dann Firunjar zu. Auch die Mannschaft und die Helden hatten diese kleine Auseinandersetzung zwischen Shaya und Firunjar mitbekommen. Danach verließ Firunjar das Lager und suchte sich einen Hügel in der Nähe, auf dem er meditierte und nach der inneren Einkehr suchte. Zwei Stunden verbrachte er in der Eiseskälte, auf der Suche nach der leitenden Stimme seines Gottes. Als er schließlich zurückkehrte, war er überzeugt: Firun würde seinen Glauben schon bald auf die Probe stellen.
Im Lager suchte Lorion die Gesellschaft der Waldelfe, während Lavandiel sich mit der Kriegerin unterhielt. Der Firnlauki begann inzwischen, eine Art Eispavillon aus dem Boden wachsen zu lassen. Irgendwann begaben sich alle in die Eishütten und Zelte.
Anmerkungen:
Die Szene „Gefangen im Eis“ konnte ich gleich abhaken, da der Eisdschinn sie problemlos daraus befreien konnte. Ich wusste auch gar nicht, wie ich die Szene irgendwie spannend hätte gestalten können, so dass das Schiff zwischen den beiden Eisbergen eingeklemmt wird, darum habe ich es einfach gestrichen. So sparten sich die Helden viel Zeit.
Warum befindet sich der Treffpunkt an dieser Stelle und nicht weiter im Norden? Wenn man sich die Karte auf S. 24 anschaut, wäre es viel sinnvoller, ganz oben anzulanden, dann muss man nur noch 30 Meilen oder so durchs Eis reisen und erreicht die Ausläufer von Yetiland.
Beim Aufbau des Lagers habe ich Gerrits Vorschlag für das 8. Abenteuer ausprobiert: Ich habe ihnen ein Blatt Papier gegeben, die Umrisse des Packeises eingezeichnet und ihnen dann gesagt, sie sollen das Lager malen. Das hat einigermaßen gut funktioniert. Ich wollte hauptsächlich testen, wie die Spieler auf diese Vorgehensweise reagieren. Im 8. Abenteuer werde ich dann wohl erneut so vorgehen.
Spannend fand ich den Streit zwischen Shaya und Firunjar. Die Idee dazu stammt aus dem Hörspiel, wo Shaya eine Liturgie spricht, um die Kälte zu vertreiben usw.. Der Spieler hat sich Mühe gegeben, gegen Shaya zu argumentieren und hat hier seinen Charakter sehr schön ausgespielt. Überhaupt war diese Sitzung eine besondere Sitzung für Firunjar, wie später noch zu lesen sein wird. Fast wäre es auch seine letzte gewesen...
26. Firun, Packeis vor Yetiland
Am nächsten Morgen nahm Phileasson sich die Helden beiseite und erklärte ihnen ihre Aufgabe: Sie sollten mit einem der Eissegler vorausfahren und die Gegend auskundschaften, während die beiden anderen Eissegler bei den Hundeschlitten verbleiben sollten. Vier Mannschaftsmitglieder sollten bei der Seeadler bleiben. Am Abend sollten die Helden dann zur Hauptgruppe zurückkehren und Phileasson Bericht erstatten. Da auf dem Eissegler nur für sechs Personen Platz war, beschloss Firunjar seinen treuen Goblindiener Karrka bei der Hauptgruppe zurück zu lassen. Alle waren schon dabei, sich für die Reise auszurüsten, als TiaLi plötzlich von Zweifeln geplagt wurde. Sie befand sich in einem Dilemma: Einerseits wollte sie ihre Freunde auf der Reise mit dem Eissegler begleiten, andererseits wollte sie ihre Wölfin Rael, die als neue Anführerin des Hunderudels bei der Hauptgruppe bleiben würde, auf keinen Fall alleine lassen. Erst nach einer langen Diskussion mit ihren Gefährten ließ sie sich schweren Herzens umstimmen und machte sich zur Abfahrt bereit. Auch der Firnlauki hatte beschlossen im Lager zu bleiben. Über Nacht hatte er einen prächtigen Eispavillon mit einer riesigen Kuppel, kunstvollen Verzierungen und filigranen Eiszapfen erschaffen, der nun im Licht der aufgehenden Sonne beinahe in Flammen zu stehen schien.
So rasten die sechs Helden unter Lialins Führung mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit über das Eis gen Norden, bis sie nach einiger Zeit auf eine Gletscherspalte von gewaltigem Ausmaß trafen, die ihnen den Weg versperrte. Lorion untersuchte die Umgebung und sah, dass die Spalte viele Meilen lang und an der größten Stelle mehrere hundert Schritt breit war. Doch es gab eine Stelle, an der der Abstand nur drei Schritt betrug. Die Helden diskutierten über ihre Möglichkeiten, eine Brücke zu bauen, und entschlossen sich dann die Spalte in Richtung Osten weiter zu erkunden.
Sie fuhren schon eine ganze Weile, als Lorion, der am Bug saß und die Gegend im Auge behielt, ein großes Loch im Eis vor ihnen sah. Lialin wollte dem Hindernis einfach ausweichen und dann weiterfahren, aber als Lorion erwähnte, dass das Loch offenbar mehrere Schritt durchmaß und einen perfekten Kreis bildete, drängte Dimeus sie dazu anzuhalten.
Obwohl sie erst knapp zwei Stunden unterwegs waren, fühlten sich Dimeus' Glieder fast taub an, und so stürzte er beim Versuch, aus dem Eissegler zu steigen, in den Schnee. Dann band er sich ein Seil um und befestige es am Eissegler, näherte sich vorsichtig dem Loch und legte die letzten Schritte sogar auf allen Vieren zurück. Das Loch war etwa drei Schritt im Durchmesser, drei Schritt tief und durchbrach damit die Eisschicht an dieser Stelle. Es war vollkommen rund und wies keine Bruchstellen oder Werkzeugspuren auf. Mit Hilfe eines Odem entdeckte Dimeus schwache Rückstände von Magie. Lialin untersuchte das Loch ebenfalls und fand gewisse Ähnlichkeiten zu dem Zauber, mit dem sie am Vorabend ihre Eishütte geformt hatte. Diese Erkenntnis ließ sie erschaudern: „Was für Mengen an astraler Kraft müssen nötig gewesen sein, um so viel Eis zu verformen!“ Lorion, Firunjar und TiaLi sahen einige Spuren, die aus dem Loch kamen und davon weg führten. Es schien sich um ein Wesen mit mehr als vier Gliedmaßen zu handeln. Alle überlegten, worum es sich handeln könnte, und schließlich war sich TiaLi sicher: Es musste ein Gorku gewesen sein, ein Frostwurm!
Nun wollte niemand länger in der Nähe des Loches verbleiben. Auf dem Weg zum Eissegler blickten die Helden zum Himmel und sahen mit Schrecken, dass während ihrer Unterhaltung das Wetter umgeschwungen war. Nun zog ein Sturm herauf, der schon in wenigen Augenblicken über sie hereinbrechen würde! Unter Lorions Führung suchten sie nach einem geschützten Ort und fanden glücklicherweise einen kleinen Eisberg, an dessen windgeschützter Seite sie sich schnell ein Lager aufbauten. Dimeus konstruierte aus zwei Speeren und einer Decke einen Windfang, die anderen drehten einfach den Eissegler um und versteckten sich darunter. Dann verschwand die Welt im dunklen Tosen des Sturms...
Anmerkungen:
Die Spieler haben nicht genau verstanden, was ihre Aufgabe ist. Phileasson sagte ihnen, dass sie den Weg für die Hauptgruppe auskundschaften sollen, aber die Spieler haben es so verstanden, dass sie zum Yetiland vorreisen und dort warten sollen. Darum kam schnell die Idee auf, die Elfen könnten doch mit ihren Raketenpferden voraus reiten, weil sie so noch schneller wären, oder Lialin könnte mit einem Luftgeist fliegen. Mal ganz davon abgesehen, dass es eine absolut bescheuerte Idee ist, alleine oder nur zu zweit durch das ewige Eis zu reisen, haben die Spieler hier zwei Dinge nicht berücksichtigt, was mir ziemlich auf die Nerven gegangen ist: Erstens hat Phileasson ihnen einen klare Aufgabe gegeben (Nehmt den Eissegler und erkundet, kommt abends zurück), und auch wenn es anfangs nicht ganz verständlich war, hätte den Spielern auffallen müssen, dass ihre Ideen nicht zu Phileassons „Befehl“ passen. Zweitens sollten sie zusammen, als Gruppe handeln, aber ihre Ideen sahen alle Egotrips vor: Alleine mit dem Pferd reisen, alleine mit einem Luftgeist fliegen. Dieses Vorgehen hätte dann dafür gesorgt, dass die nicht beteiligten Spieler nur rumsitzen und nichts zu tun haben. Außerdem wäre der Aufwand für mich als Spielleiter ebenfalls größer geworden. Es ist immer anstrengend, wenn die Gruppe sich aufteilt und ich zwischen sechs verschiedenen Szenen hin- und herspringen muss, statt eine zu leiten.
TiaLis Dilemma passt in dieses Problem hinein, auch wenn hier der Charakterhintergrund ausschlaggebend war. Der Spieler hat verkündet, dass seine Heldin auf jeden Fall bei der Wölfin, also auch bei der Hauptgruppe bleiben muss, und wollte allen Ernstes genau das tun, auch wenn das für ihn bedeutet hätte, dass er den Rest der Sitzung nichts mehr zu tun hat. Die anderen Spieler/Helden haben sich leider keine Mühe gegeben, die Heldin ingame umzustimmen (keine Diskussion, Überreden etc.), sodass wir erst eine Raucherpause machen und das Problem outgame lösen mussten.
Solotrips dieser Art sind schon seit langer Zeit ein Problem in unserer Gruppe. Meistens liegt es am Charakterhintergrund, der konsequent durchgezogen wird. Ein Beispiel aus der Orklandtrilogie dazu: Die Helden wollen eine Höhle erkunden, in der telepathisch veranlagte Spinnen hausen. Der Elf will aus irgendeinem Grund nicht mitkommen, setzt sich draußen hin und spielt auf seiner Flöte. Outgame durfte der Spieler dann knapp zwei Stunden zugucken, weil er sich partout geweigert hat seine Gruppe zu begleiten und ich keine Lust hatte, ihn separat zu bespaßen. Ich kann ja verstehen, wenn jemand seinen Helden konsequent ausspielt, aber gerade bei einer großen Gruppe muss man Kompromisse eingehen. An der Stelle habe ich mich einfach geärgert.
Das Abenteuer platziert die Gletscherspalte als Hindernis, um die Helden einen Umweg nach Osten fahren zu lassen. Alle vom Abenteuer vorgesehenen Begegnungen passieren auf dieser Route, die vorher Beorn schon genommen hat. Aber leider wird nicht genug auf die Möglichkeit eingegangen, eine Brücke über die zwei (!) Schritt breite Spalte zu bauen. Zwar erwähnt das Abenteuer die beiden Zauber Solidirid und Weiches Erstarre, geht aber offenbar davon aus, dass kein Held sie beherrscht, da es keine Ereignisse oder Begegnungen auf dieser zweiten Route gibt (siehe Karte S.24).
In meiner Gruppe gab es gleich zwei magische Möglichkeiten zum Brückenbau: Metamorpho Gletscherform (Eis zu Brücke verformen) und Solidirid Weg aus Licht (unsichtbare Brücke). Die Spieler/Helden haben sich auch schnell dazu entschlossen, genau das zu tun, sprich die Reise zum Yetiland wird nicht Beorns Route folgen.
Im Zusammenhang mit der Gletscherspalte kam auch die Frage nach der Sichtweite auf. Hier wäre eine Infobox sehr hilfreich gewesen, weil ich nicht genau weiß, wie weit man im Ewigen Eis sehen kann. Ich habe mal festgelegt, dass bei klarem Wetter (kein Schnee, keine Wolken) 30 Meilen möglich sind, aber ich habe keine Ahnung, ob das so stimmt. [edit: Der Wikipedia-Artikel dazu ist ganz nützlich.]
Der Spieler des Magiers gab sich hier bei der Beschreibung seines vorsichtigen Vorgehens sehr große Mühe, weil er in seiner Jugend schon einmal einen Magier in die Phileassonsaga geführt hatte, der allerdings im gleich folgenden Schneesturm erfror. Die Saga wurde danach nicht weitergeführt.
Mir gefällt die Idee, dass Frostwürmer im Ewigen Eis nach dem Schwarzen Auge suchen, darum wollte ich mehrfach Spuren von ihnen einbauen. Ich habe die Szene eher improvisiert als vorbereitet, deshalb bin ich auch davon ausgegangen, dass ein Frostwurm eine magische Möglichkeit hat ein drei Schritt großes und tiefes Loch im Eis zu erschaffen. Laut LC wäre das aber eine ziemlich kostspielige Angelegenheit, das könnte sich der Frostwurm mit seinen maximal 30 AsP gar nicht leisten, zumindest nicht mehrfach am Tag. Hier zeigt sich auch ein altbekanntes Problem mit den Werten von NSCs und vor allem Tieren/Monstern im ZBA. Die Werte eines Frostwurmes sind viel zu schlecht. Falls es zu einem Kampf zwischen den Helden und einem Frostwurm kommen sollte (und diese Option halte ich mir offen), sollte der Drache auf jeden Fall auch eine Gefahr darstellen und einen harten Kampf liefern.
Der Schneesturm
Gerade noch rechtzeitig konnten die Helden sich vor der Gewalt des Sturmes in Sicherheit bringen. TiaLi fing erneut an zu singen und zu tanzen, um die Geister um Hilfe zu bitten. Schlagartig wurde es windstill und ein wenig wärmer in ihrem kleinen Unterschlupf, doch diese Anstrengung war zu viel für TiaLi, weshalb sie bewusstlos zu Boden sank. Blut floß aus ihrer Nase und sie war sehr blaß. Weil ihre Gefährten sich große Sorgen machten, versetzte Lavandiel sie in einen Zauberschlaf.
Es war kalt, dunkel und eng unter dem Eissegler. Draußen tobte der Sturm unerbittlich, drinnen drängten sich die Helden dicht aneinander und harrten im blassen Schein von Lavandiels Gwen-Petryl-Stein aus. Doch der Sturm legte sich nicht. Stunde um Stunde verging, ohne dass der Wind nachließ. TiaLis Zauber verging, es wurde wieder kälter und windig. Die beklemmende Enge setzte Lavandiel immer heftiger zu. Dimeus versuchte, sie mittels Magie abzulenken, und ließ einen Schneeball im Kreis schweben, doch das konnte Lavandiels Angst nicht lange mildern. Sie geriet in Panik, schlug wild um sich, bekam keine Luft mehr und die Dinge überstürzten sich: Sie versuchte den Eissegler umzustoßen, um nach draußen zu gelangen. Jemand hielt sie fest, rang mit ihr, andere redeten ihr gut zu, jemand versuchte TiaLi zu wecken, Fäuste flogen, Dimeus versuchte Lavandiel zu versteinern. Dann ertönte über das Heulen des Windes Firunjars Stimme, er packte Lavandiel und blickte sie grimmig an, während er Firun bat, Lavandiel mit seiner eisigen Kälte zu erfüllen, damit sie ihre Angst bekämpfen konnte. Lavandiel starrte Firunjar an und sah, dass ihr Gefährte mehr war als nur ein Mensch: In diesem Moment glich er mehr einer Naturgewalt, stark und fest entschlossen. Das Tosen des Sturms schwand zu einem Flüstern, ihr Atem ging wieder normal und sie entspannte sich.
Alle waren erschöpft und niedergeschlagen, darum nutzten sie die Möglichkeit und versuchten sich so gut wie möglich zu erholen. Dann endlich, nach über zehn Stunden, hörte es auf zu stürmen. Schnell befreiten sie den Eissegler vom Schnee und machten ihn fahrbereit, um zu Phileasson zurückzukehren. Alle gingen an Bord, außer Firunjar. Er hatte die ganze Zeit etwas abseits gestanden und dem Wind gelauscht. Da war eine Stimme, die nach ihm rief. Er überlegte einen Moment, ob er seine Gefährten darauf hinweisen sollte, doch dann kam er zu einem anderen Entschluss. Er erklärte seinen Freunden, dass er sie verlassen müsse, da Firun eine Aufgabe für ihn habe. Dimeus wurde plötzlich sehr wütend und fing an mit Firunjar zu streiten. Er brüllte ihn an, weil er nicht glauben konnte, dass Firunjar seine Gefährten im Stich lassen wollte. Firunjar blieb währenddessen ganz ruhig und erklärte Dimeus, dass sie auch ohne ihn zurecht kommen würden, da er ihnen viel beigebracht habe, doch das überzeugte den Magier nicht: Voller Abscheu spuckte er dem Firungeweihten vor die Füße und ließ ihn alleine stehen. TiaLi brach in Tränen aus. Firunjar wandte sich schon zum Gehen, als Dimeus zu ihm zurück kam. Er hatte sein Gemüt beruhigt und versuchte Firunjar zu überreden, bei der Gruppe zu bleiben. Da Firunjar aber standhaft blieb, gab Dimeus seine Anstrengungen auf. Stattdessen reichte er ihm einige Artefakte, die er auf der Reise erschaffen hatte und die Firunjar helfen sollten. Firunjar wollte diese Gaben erst nicht annehmen, doch Dimeus sprach: „Es ist Euer Glaube an Firun, der Euch dazu bringt, uns zu verlassen. Mein Glaube an Hesinde gebietet mir, Euch mit all meinem Wissen zu helfen.“ So ließ sich Firunjar doch noch umstimmen. Er nahm die Artefakte, wünschte allen Lebwohl und ging dann in die Dunkelheit, alleine. Seine Gefährten waren wie gelähmt, nur langsam konnten sie sich dazu durchringen, den Eissegler zu beladen und zu Phileasson zurückzukehren. Nur Lavandiel hatte einen anderen Plan. Ohne dass die anderen es bemerkten, folgte sie Firunjar.
Anmerkungen:
Der Schneesturm war eine der besten Szenen des Abends. Ich habe mit Hilfe von Atmosphere Lite und ein paar Soundeffekten das Ganze akustisch untermalt, außerdem habe ich eine Farbwechsellampe mit blauem Licht eingeschaltet und alle anderen Lampen im Raum ausgemacht bzw. nur eine kleine angelassen. Die Spieler konnten sich gut in die Lage versetzen und haben die Szene später sehr gelobt.
Besonders wichtig war in dieser Sitzung die Musik, vor allem ein Stück, das ich bei meinen Musiktipps schon ganz am Anfang genannt habe: Das Lied Altair/Mira vom Starbound-Soundtrack. Dieses Lied ist unglaublich schön und atmosphärisch. Als ich es das erste Mal gehört habe, war ich hin und weg, ich habe die ganze Zeit nur da gesessen und gelauscht. Ich kann jedem nur empfehlen, es sich mal in Ruhe anzuhören und dabei die Gedanken schweifen zu lassen. Das Lied dürfte an diesem Abend über mehrere Stunden gelaufen sein.
Irgendwann während des Sturmes ist dem Spieler von Lavandiel aufgefallen, dass seine Elfe Raumangst hat. Es folgte ein Chaos und Durcheinander erster Güte. Ich habe in dem Moment zu meinen Spielern gesagt: „Ich mach hier nur noch die Musik, macht, was ihr wollt!“ Sie wollten die Elfe KO-schlagen, versteinern, niederringen, verzaubern etc.. Schön, dass der Firungeweihte die Lösung hatte. Er hat ein kurzes Gebet vorgelesen, dass ich leider nicht wiedergeben kann, aber es hat sehr gut gepasst. Die Liturgie war ein Märtyrersegen, wodurch die Selbstbeherrschung der Elfe auf über 20 stieg.
Im Anschluss an den Sturm kam es zur Begegnung mit der Eisfee. Ich habe mir vorher überlegt (und ja auch einen Thread dazu gestartet), dass die Eisfee jedem Helden in anderer Gestalt erscheint. Aber ich war mir nicht sicher, wie diese Szene überhaupt funktionieren sollte. Jeder Spieler würde doch in dem Moment merken, dass irgendetwas nicht ganz in Ordnung ist, wenn die Helden gemeinsam hingehen und jeder etwas anderes sieht. Also konnte die Begegnung nur mit einem einzelnen Helden stattfinden. Da der Spieler des Firungeweihten in den letzten Sitzung eher wenig zu tun hatte und weil es vom Charakter sehr gut passte, habe ich mich dazu entschlossen, ihm einen karmalen Wink zu geben, dass Firun eine Prüfung für ihn habe. Ich habe dem Spieler einen Zettel geschrieben („Eine Stimme ruft dich...“ etc.) und ihn dann gefragt, ob er seine Gefährten informieren will oder ob er das alleine durchzieht. Er hat sich zum Glück dazu entschlossen, alleine zu gehen.
Es folgte eine sehr emotionale Diskussion. Ich sollte vielleicht hinzufügen, dass wir zu diesem Zeitpunkt schon ein paar Bierchen bzw. in meinem Fall ein paar Gläser Wein intus hatten. Das erklärt dann auch den plötzlichen Sinneswandel des Magiers.
Die Eisfee
Firunjar entzündete seine Laterne und wanderte langsam fort von den anderen. Er ging durch die Dunkelheit, lauschte dem Knirschen des Schnees und dem Knacken des Eises unter seinen Stiefeln. Es schneite heftig, der Wind wehte ihm eisig ins Gesicht. Er nahm kaum etwas davon wahr, denn in seinen Gedanken war er auf der Suche, auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, die ihn schon seit geraumer Zeit umtrieb. Was verlangte Firun von ihm? Was war seine Aufgabe und wohin würde ihn sein Weg führen? Er hatte in den letzten Wochen immer wieder zu Firun gebetet, hatte um Stärke gebeten, hatte seinen Gefährten und der Mannschaft von Firun erzählt und versucht ihnen klar zu machen, dass nur die Starken und Entschlossenen überleben würden, und dass auf dieser Fahrt ein jeder von ihnen geprüft werden würde. Aber war er selbst in der Lage Firuns Weg zu gehen? War er bereit? War er stark genug? Oder würde er versagen?
Er verlor sein Zeitgefühl und stapfte weiter durch den Schnee, als er plötzlich eine Gestalt vor sich ausmachte. Die Gestalt war menschengroß und in dicke Pelze gehüllt. Erschöpft stolperte sie durch den Schnee, fiel immer wieder zu Boden und raffte sich mühsam auf, um weiter zu gehen. Firunjar näherte sich und erschrak, als er sah, wer ihm hier in der Eiswüste in die Arme gelaufen war: Es war Lenya, die Traviageweihte, die Beorn begleitete. Sie war leichenblass, die Lippen tiefblau angelaufen. Sie stürzte ihm entgegen, Firunjar fing sie mit Mühe auf. Sie stammelte: „Sie haben mich im Sturm zurück gelassen. Sie sind alle weg. Es ist so kalt, Firunjar. Mir ist so kalt. Halt mich fest.“ Firunjar schloss sie in die Arme, redete ihr gut zu, versuchte sie zu wärmen. Sie schien dem Tode nahe und flüsterte immer wieder: „Es ist so kalt.“ Dann blickte sie ihm tief in die Augen. Sie war so blass wie der Schnee in ihrem Haar, aber wunderschön. „Küss mich, Firunjar“, flüsterte sie ihm zu, „Küss mich, Firunjar“, immer wieder, „Küss mich Firunjar.“ Und er küsste sie.
Die Wärme wich aus seinen Händen, seinen Armen, Lenya schien es etwas besser zu gehen, aber es war nicht genug. Sie bat ihn wieder: „Küss mich, Firunjar. Es ist so kalt.“ Er legte ihr die Hand auf die Brust und begann zu Firun zu beten, er flehte die Götter an, Lenya neue Kraft zu schenken. Doch sie nahm seine Hand, umschloss sie mit der ihren, schaute ihn erneut flehend an: „Ich brauche keine Hilfe von Deinem Gott. Nur Du kannst mir helfen. Nur du kannst mich retten. Wenn Du mir nicht hilfst, werde ich sterben. Bitte, küss mich, Firunjar. Es ist so kalt.“ Und er küsste sie erneut.
Die Wärme wich aus seinen Füßen, aus seinen Beinen, Lenya schien es etwas besser zu gehen, aber es war nicht genug. Sie bat ihn wieder: „Küss mich, Firunjar, es ist so kalt.“ Er zitterte inzwischen selbst, die Kraft wich langsam aus seinem Körper: „Diese Küsse rauben mir meine Kraft. Es muss eine andere Lösung geben. Ich kann so nicht weitermachen.“ Eine einzelne Träne rann über ihr wunderschönes, kaltes Gesicht. „Mein Leben liegt in Deiner Hand. Ich brauche Dich. Ohne Dich werde ich sterben. Bitte, küss mich, Firunjar. Es ist so kalt.“ Und er küsste sie zum letzten Mal.
Die Wärme wich aus seiner Brust, aus seinem Herzen, und endlich war es genug.
Der Wind erstarb, es wurde langsam dunkler. Firunjar sank kraftlos zu Boden. Er versuchte sich an Lenya festzuhalten, versuchte stark zu sein, gegen die Kälte anzukämpfen, aber er hatte keine Kraft mehr. Er wollte zu Firun beten, doch kein Wort kam über seine eisblauen Lippen. Lenya schaute ihn traurig an: „Danke, Firunjar. Du hast mir so viel gegeben. Nun schlaf...“ Dann wandte sie sich von ihm ab. Die Welt versank im Dunkel. Ein letzter Atemzug, dann war es vorbei.
Lavandiel folgte seinen Spuren schon einige Zeit, als sie das Licht seiner Laterne in weiter Ferne erblickte. Sie näherte sich weiter, als das Licht plötzlich erlosch. Lavandiel rannte los und fand Firunjar, der leblos auf dem Boden lag. Neben ihm schwebte eine geisterhafte Erscheinung. Für einen Moment glaubte Lavandiel Uhm-Uhm zu sehen, dann verschwand das Wesen in den Schneeflocken. Schnell schaute sie nach, ob Firunjar noch lebte, doch er schien bereits tot zu sein. Erst als sie einen Zauber wirkte, erkannte sie, dass noch ein kleiner Lebensfunke in ihm war. Lavandiel steckte ihm eine der roten Kugeln in den Mund, die sie damals von Hetfrau Garhelt erhalten hatten und die ihnen schon mehrmals aus brenzligen Lagen geholfen hatten. Nach einigen Augenblicken kehrte das Leben in Firunjar zurück. Mit Lavandiels Hilfe machte er sich auf den Rückweg.
Unterwegs trafen sie auf die anderen Gefährten, die inzwischen bemerkt hatten, dass Lavandiel verschwunden war und nach ihr suchten. Alle waren froh, ihn wieder zu sehen, doch Firunjar gab Dimeus nur wortlos seine Artefakte zurück und ging an ihnen vorbei. Alle folgten ihm, Dimeus versuchte vorsichtig ihn zu befragen, was passiert war. Doch Firunjar ließ sich nur wenige Worte entlocken. Er sprach von einer Prüfung, die Firun ihm auferlegt hatte, und dass er versagt habe. Aber er würde das Geheimnis dieser Prüfung mit ins Grab nehmen.
Zurück im Lager diskutierten die Helden lange Zeit darüber, was sie nun tun sollten. Sie sprachen auch über die verschiedenen Götter, denen sie huldigten, und rätselten mit Lavandiel, was für ein Geschöpf Firunjar dort draußen getroffen hatte. Irgendwann konnte TiaLi nicht mehr an sich halten. Sie rief erneut die Geister zu Hilfe und rannte dann, von einem Luftgeist erfüllt, alleine zurück zu Phileassons Lager. Dort angekommen brach sie vor Erschöpfung erneut zusammen. Phileasson fand sie und kümmerte sich um sie. Danach setzte sich TiaLi zu Ynu, unterhielt sich ein wenig mit ihm und bekam ein paar Rauschkräuter.
Lorion rief in der Zwischenzeit ein Elfenpferd zu Hilfe und gemeinsam reisten alle zurück zum Hauptlager. Nach knapp zwei Stunden kamen sie endlich an und fielen erschöpft in die Iglus.
Anmerkungen:
Das war mit Abstand eine der schwierigsten, aber auch schönsten Szenen, die ich je in meinem Rollenspielleben gemeistert habe. Schwierig vor allem deshalb, weil die Szene allein von den Emotionen lebt. Ich habe keine einzige Probe verlangt, nichts ausgewürfelt, es ging alleine darum eine Rolle auszuspielen.
Ich habe meinen Mitspielern vor der Szene gesagt, dass der Firungeweihte jetzt ein kurzes Soloabenteuer haben würde und sie vor die Entscheidung gestellt, ob sie dabei sein wollen oder nicht. Fast alle haben glücklicherweise eine ausgiebige Raucherpause gemacht, nur der Spieler von Lavandiel ist geblieben, was aber in Ordnung war. Wenn alle dabei geblieben wären, hätte die Szene wohl längst nicht so gut funktioniert. Der Spieler von Lavandiel war völlig ruhig (er hatte ja auch niemanden, mit dem er reden konnte), die ganze Zeit über haben also nur Firunjar und Lenya miteinander geredet, zwischendurch kamen noch Beschreibungen von mir als Meister. Ansonsten keinerlei Ablenkung, keine schlechten Witze, keine Fragen, keine Anmerkungen. So ist den anderen Spielern zwar eine wunderschöne Szene entgangen, aber ich fürchte, es war so das Beste. Irgendwann kamen die anderen Spieler zurück, aber zum Glück hatte ich vorher die Wohnungstür nur angelehnt und niemand hat geklingelt.
Die Szene begann mit einer langen Beschreibung durch mich, der Spieler hat einfach nur zugehört. Ich habe mir zu dieser Szene nur ein paar Stichpunkte notiert und den Rest komplett improvisiert. Der Wein und die traumhafte Musik haben mich offenbar so sehr inspiriert, dass weitere Vorbereitung unnötig war. Das, was ich da oben versucht habe zu schildern, reicht bei weitem nicht aus, um zu beschreiben, wie intensiv die Szene war. Ich wünschte, ich hätte wenigstens diese Szene aufgenommen (mit dem Gedanken habe ich kurz gespielt).
Ich habe Lenya als Erscheinungsform der Eisfee ausgewählt, weil der Firungeweihte in Thorwal eine kurze Begegnung mit ihr hatte und weil ich von ihr ein sehr schönes Bild habe (aus dem Film Beowulf; links). Die Alternative wäre der Goblin Karrka gewesen, aber das hätte wohl kaum so gut funktioniert!
Ich habe eben schon geschrieben, dass diese Szene schwierig für mich war. Um das noch einmal zu verdeutlichen, stelle man sich vor, wie es am Spieltisch aussah: Zwei Mittzwanziger in schwarzen Metalbandshirts sitzen sich gegenüber und der eine flüstert dem anderen immer wieder mit hoher Stimme zu: „Küss mich, halt mich fest.“ Liebe und Sexualität im Rollenspiel auszudrücken gehört mMn zu den anspruchsvollsten Aufgaben, denn nur allzu leicht kann man ins Lächerliche abrutschen.
Wie schon erwähnt gab es keine Würfelproben, sondern ich habe versucht den Spieler/Helden zu überreden, die Eisfee weiter zu küssen und die Auswirkungen nur beschrieben, nicht aber LeP abgezogen. Anfangs wollte mich mir notieren, wie viele SP er durch einen Kuss oder eine Umarmung bekommt, aber das habe ich schnell aufgegeben und mich für die alte Dreier-Regel entschieden: Drei Küsse → tot.
Der Spieler hat definitiv Verdacht geschöpft und wollte zwischendurch auch aufhören. Ich musste mich ziemlich ins Zeug legen, um es seinem Helden so schwer wie möglich zu machen. Teilweise hatte ich bei meinen Beschreibungen fast selbst Tränen in den Augen.
Eigentlich wollte ich ein anderes Lied einsetzen, um die Begegnung mit der Eisfee zu untermalen, nämlich [Lady of Winter] vom Pakt der Wölfe-Soundtrack. Aber als die Eisfee auftauchte war Mira/Altair gerade noch am Laufen und die Spannung war so intensiv, dass ich es nicht gewagt habe, das Lied zu wechseln. Außerdem hat die Szene insgesamt sehr lange gedauert (ich schätze mal 45Minuten, aber ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung), d.h. das Lied hätte 20 mal von vorne angefangen. So musste ich Mira/Altair nur zwei oder dreimal neu starten und man konnte den „Loop“ nicht heraushören. Zusätzlich habe ich Windgeräusche im Hintergrund laufen lassen und die blaue Lampe war auch noch an.
Ebenfalls zum Glück ist Lavandiel dem Firungeweihten gefolgt, denn sonst wäre der gute Firunjar jetzt tot. Ich habe kurz mit dem Gedanken gespielt, auch Lavandiel eine Begegnung mit der Eisfee zu verschaffen, aber einerseits hatte ich für sie keine geeignete Erscheinung, sondern nur den Affenmenschen Uhm-Uhm (der nicht sprechen kann), zum anderen dachte ich mir, dass diese Begegnung einzigartig sein sollte. Bei den roten Kugeln handelt es sich um Wundermedizin aus der Orklandtrilogie. Jeder Held hat eine Kugel bekommen, die einmal alle Verletzungen heilt und die LeP auffüllt. Der Firungeweihte hält den Rekord und hat inzwischen drei Kugeln verabreicht bekommen, Lavandiel eine. Zwei dürften also noch übrig sein.
27. Firun, Packeis vor Yetiland - Die Eisigel
Am nächsten Morgen fuhren die Helden erneut mit dem Eissegler voraus. Die Ereignisse des gestrigen Tages waren nicht spurlos an ihnen vorbeigegangen. TiaLi hatte sich von Ynu einen kleinen Vorrat an Rauschkräutern besorgt. Im Gegenzug hatte sie einen Geist beschworen, der Ynu für eine Woche ein wenig wärmen würde. Während der Fahrt unterhielt sie sich mit Lavandiel und versuchte ihr die Angst vor engen Räumen zu nehmen. Dimeus hingegen war sehr schlecht gelaunt. Nachdem er schon am Abend ordentlich dem Alkohol zugesprochen hatte, ließ er sich auch an diesem Tag buchstäblich volllaufen und übergab Lialin sein Diarium, damit sie an seiner Stelle die Ereignisse des Tages festhielt.
Die Helden fuhren zurück zu der Stelle an der Gletscherspalte, die sich für eine Überquerung anbot, und stimmten dann darüber ab, ob sie eine Brücke bauen oder einen Umweg suchen sollten. Sie stimmten dafür eine Brücke zu bauen, fuhren dann aber trotzdem weiter in Richtung Osten, um die Gegend zu erkunden.
Nach einiger Zeit sahen sie seltsame Eisgebilde vor sich und hielten an. Es handelte sich dabei um große Eiskugeln, die bis zu fünf Schritt im Durchmesser waren und aus denen lange Eisstachel wuchsen. Auf der weiten Eisfläche mussten Dutzende, wenn nicht gar hunderte dieser „Eisigel“ liegen. Der Wind wehte um die Stacheln herum und rief die sonderbarsten Töne hervor.
Von Neugier getrieben ging Dimeus bis auf fünf Schritte an eine der Kugeln heran und begann einen Odem zu wirken, als TiaLi neben ihn trat. Sie hielt ihre Knochenkeule in Richtung der Kugeln, woraufhin diese anfing zu rasseln. Hier wirkte also Magie! TiaLi bekam ein ungutes Gefühl und wollte wieder zurück zum Eissegler gehen, der in sicherer Entfernung stand. Doch plötzlich hörten Dimeus und sie ein furchteinflößendes Geräusch: Das Eis unter ihnen knackte! Risse erschienen in der Eisdecke, Wasser quoll hervor – und einer der Eisigel fing an sich zu bewegen. Die beiden warfen ihre Angst über Bord und wandten sich zum Gehen, als der Eisigel plötzlich explodierte und seine scharfen Stacheln in alle Richtungen verschoss. TiaLi wurde getroffen und zu Boden gerissen. Dimeus holte schnell eines seiner Artefakte, eine einfache Ledermütze, aus seiner Tasche und setzte sie sich auf. Dann stellte er sich schützend vor TiaLi, um eine neue Welle von Eisstacheln abzuwehren, denn immer weitere Eisigel rollten langsam heran und explodierten, sobald sie in die Nähe der Helden kamen.
Die beiden Elfen hatten bereits ihre Bögen gezogen und schossen aus der Entfernung auf die Eiskugeln, doch es hatte kaum Auswirkungen. Firunjar rannte zu Dimeus hinüber, während Lialin anfing einen Wirbelsturm zu beschwören. Weitere Eisstacheln sausten durch die Luft und TiaLi verlor das Bewusstsein. Blut floß aus einer Wunde in ihrem Bein. Dimeus wurde von Eisstacheln regelrecht durchlöchert, aber dank seines Artefaktes konnte er es aushalten. Gemeinsam mit Firunjar brachte er TiaLi in Sicherheit, doch ein letzter Eisspeer riss auch ihn zu Boden und brachte ihn in Lebensgefahr. Lialin vollendete endlich ihren Zauber und fegte die ganze Eisigelkolonie mit einer Windhose hinfort.
Die Verletzten wurden gerettet und die Helden setzten ihre Reise fort.
Anmerkungen:
Anfangs hatten wir wieder eine nervige outgame-Diskussion, weil die Spieler sich erneut aufteilen wollten. Es war zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich spät, fast 4Uhr morgens (die Zeitumstellung schon eingerechnet) und wir hatten recht viel getrunken. Das machte sich dann auch bemerkbar.
Ich habe bei Youtube ein Video von einer Aeolsharfe gefunden, so in etwa soll sich laut Abenteuer das Geräusch anhören, das der Wind macht, wenn er durch die Eisigelkolonie fährt. Ich finds sehr atmosphärisch, ich glaube, das kam auch gut an.
Die Eisigel beeinflussen ihre Opfer mental und konfrontieren sie mit ihren Ängsten, um sie zu lähmen. Ich fand es sehr schwierig, hier individuelle Ängste der Helden zu bestimmen. Außerdem fällt den Spielern ja auf, wenn jeder etwas anderes sieht, und dann überlegen sie, dass es vielleicht eine magische Beeinflussung sein könnte etc., d.h. die Szene ist nicht so spannend, weil die Spieler auf der Metaebene analysieren. Im Eis einzubrechen dürfte aber zum einen die Ängste der Helden gut treffen und zum anderen als mögliche reale Bedrohung durchgehen.
Wenn man die Eisigel so einsetzt wie ich, also nicht nur einen explodieren lässt, sondern immer weitere, dann ist die Begegnung mit ihnen extrem tödlich. Drei Helden wären beinahe draufgegangen; TiaLi war bei -7LeP, Dimeus bei -3, Firunjar musste am Ende beide raustragen und hat auch ordentlich was abbekommen. Vielleicht wäre es besser, nur einen Eisigel explodieren zu lassen.
Das Ende der Sitzung kam dann etwas abrupt, da es mittlerweile schon fast 5Uhr war. Einen Cliffhanger wollte ich dann auch nicht mehr einbauen, die Gründe dafür habe ich ja oben geschildert.
Nach jeder Sitzung frage ich meine Spieler, was ihnen am besten gefallen hat und was gar nicht. Dieses Mal lobten sie die Musik und meine Beschreibungen, den Schneesturm, das gute Rollenspiel und die Interaktionen zwischen den Helden. Nicht gut fanden sie die outgame-Diskussionen und dass manche Szenen sich etwas zu lange hingezogen haben.
Das war die fünfte Sitzung und wir sind immer noch nicht im Yetiland! Aber nächstes Mal, versprochen!