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[Romane] Nordwärts - Der erste Band der Romanreihe - Diskussion [MI]

Verfasst: 13.04.2016, 23:08
von Brandur
Swafnir zum Gruße!

Ich habe den ersten Band gelesen und dazu eine ausführliche Rezension geschrieben. Da im DSA-Forum noch kein Bewertungsthread existiert, ich aber trotzdem schon wissen möchte, wie Euch der Roman gefallen hat, möchte ich meine Bewertung auch hier posten und mit Euch darüber diskutieren. Wie hat Euch der Roman gefallen? Was hat Euch überrascht? Womit kommt Ihr überhaupt nicht zurecht? Freut Ihr Euch auf den zweiten Band oder seid Ihr eher skeptisch? Schreibt mir Eure Meinung! :D
Damit diejenigen, die den Roman noch nicht gelesen haben, nicht gespoilert werden, werde ich den spoilerhaften Mittelteil weißen.

Hier erstmal meine Bewertung, wie ich sie auch im DSA-Forum posten werde:
Nordwärts bildet den Auftakt zur Romanserie der Phileassonsaga. Meine ausführliche Rezension zum zugrunde liegenden Abenteuer Gen Norden findet ihr hier. Der Rest enthält Spoiler; am Ende steht mein spoilerfreies Fazit.

[MI]

Der Roman beginnt mit einem ca. 80-seitigen Prolog, der inhaltlich überhaupt nichts mit der Saga zu tun hat. Er schildert den unglücklichen Schiffbruch der Protagonistin Fianna, die auf dem Schiff ihres Vaters Strandpiraten aus dem südlich von Thorwal gelegenen Dorf Stainakr zum Opfer fällt. Die Dörfler versuchen ihr Verbrechen zu vertuschen und bringen die gesamte Besatzung um. Der Hetmann und einige kampferprobte Väter schicken dazu die „Jungmannen“ vor – darunter der Magiernovize Tylstyr und der kräftige Tjorne - , damit die ihr erstes Blut vergießen, denn nur so werden sie zu „echten Männern™“ und können in Zukunft auf Plünderfahrt gehen. Nur Fianna überlebt, wird aber fortan insgeheim als Sexsklavin gehalten und von allen „Jungmannen“ aus Stainakr vergewaltigt, weil man so ja auch zum Mann™ werden kann. In Stainakr herrschen eben raue Sitten aus lange vergangener Zeit, Frauen scheint´s da keine zu geben, nur „Weiber“, und überhaupt wohnen dort offenbar hauptsächlich von Game of Thrones importierte Eiseninselbewohner (Vielleicht war hier auch die Fernsehserie „Vikings“ Vorbild, die zumindest Robert Corvus scheinbar gern schaut – ich kenne sie nicht, kann es also nicht beurteilen).
Der Prolog widmet sich größtenteils den Problemen des jungen Tylstyr, der sich in seinem Dorf wie ein Fremder fühlt, von seinem Vater nicht akzeptiert wird, den allgemeinen Erwartungen der Dorfbewohner nicht entspricht (man erinnere sich: In Stainakr müssen Männer „echte Männer™“ sein und Blut vergießen, sich Weiber nehmen und sonstige archaische Klischees bedienen, von denen man in UdW nicht allzu viel findet). Der Roman bemüht sich, die Entfremdung Tylstyrs gegenüber den äußerst unsympathischen Dorfbewohnern zu veranschaulichen und seine Sehnsucht nach der Ausbildung zum Magier in Thorwal zu beschreiben, was auch gelingt.
Natürlich soll auch Tylstyr irgendwann noch zum „echten Mann“™ gemacht werden, weshalb man ihn zu Fianna in die Sexhöhle bringt. Da er aber nicht das Zeug zu einem „echten Mann“™ hat, versucht er Fianna zu befreien, was aufgrund einer weiteren „Mannbarkeitsprüfung“ (diesmal Alkohol) nicht gelingt und Fianna, die inzwischen nah am Wahnsinn pendelt, noch stärker in Rachefantasien stürzt. Diese werden gegen Ende des Prologs auch befriedigt, indem sie ihren ersten Peiniger brutal zu Tode bringt.
Nach 83 Seiten endet der Prolog und ich frage mich nicht zum ersten Mal: Was lese ich hier eigentlich? Ist das noch die Phileassonsaga? Was hat das mit irgendwas zu tun? Wer sind diese Leute, warum sind die alle so dermaßen durchgedreht? Warum werden knapp 20% des ersten Romans verwendet, um genau diese Handlung zu spinnen?

Weiter geht’s in Thorwal und endlich, auf Seite 85, taucht der Name Asleif Foggwulf Phileasson auf, ein paar Seiten später dann auch Beorn der Blender. Beide Figuren werden gut beschrieben, aber was ich schon beim Abenteuer vermisst habe, bleibt auch hier im Dunkeln: Es wird nicht deutlich genug geschildert, warum zwischen den beiden eine so erbitterte Feindschaft besteht. Es gibt einen kurzen Hinweis, in einem Satz beschrieben (paraphrasiert: „Hm, Beorn gibt mir die Schuld am Tod seiner Schwester, aber das war ich doch gar nicht!“). Ich hoffe sehr, dass in späteren Bänden mehr über die Vergangenheit der beiden Hauptfiguren geschildert wird (DAFÜR hätte ich liebend gerne den Prolog verwendet gesehen, nicht für drei verhältnismäßig uninteressante Nebencharaktere, die später bei Phileasson und Beorn anheuern!).
Während die Thorwaler das Wintersonnenwendefest feiern, kommt es zu einem grausamen Mord, dessen Methode genau die gleiche ist wie bei dem Fiesling im Prolog. Schnell wird Tylstyr, der inzwischen ein fertig studierter Magus ist, und seinem Freund aus Kindertagen Tjorne, der auch nach Thorwal gefunden hat, klar, dass das kleine Mädchen, das damals von den Jungmannen misshandelt wurde, immer noch auf einem Rachefeldzug ist und mittlerweile schon zwei oder drei (mich interessiert´s ehrlich gesagt nicht) Namen von ihrer Liste der Vergeltung gestrichen hat.
In der Zwischenzeit hat die Tempelvorsteherin der Travia, Mutter Cunia, eine Vision von den Göttern erhalten, die offenbar etwas Großes planen und dafür die beiden besten Kapitäne Thorwals brauchen. Nun haben sich die Autoren überlegt, man könnte die zahlreichen Unstimmigkeiten und Plotholes der Saga überarbeiten und sich bessere Begründungen ausdenken, warum denn nun gewisse Dinge passieren. Zum Beispiel, warum mitten im Winter eine Expedition in den hohen Norden starten soll, obwohl das doch eigentlich zum Tod aller Beteiligten führen müsste! Also werden die Götter gleich zu Beginn ins Boot geholt und der eigentlich erst im Verlauf der Saga zutage tretende tiefer liegende Grund der Wettfahrt wird schon im ersten Band dem Leser zumindest in seiner auf das Wesentliche reduzierten Form auf die Nase gebunden: Die Götter haben einen „großen Plan“!
Nach und nach werden Figuren eingeführt, von denen man ahnen kann, dass sie mit Phileasson auf Fahrt gehen werden: Ein Ritter aus Andergast, der mit seiner kriegerischen Vergangenheit hadert und sich deshalb im Traviatempel aufhält (oder, wie seine rachedürstenden Verfolger ihm vorwerfen, sich versteckt). Ein Elf aus der Goldregenglanzsippe, der nach Göttern sucht – ja, nach Göttern. Was im ersten Moment unstimmig erscheint, entpuppt sich im Verlauf des Romans aber als eine einigermaßen glaubwürdige und stimmige Motivation. Nur das Alter des Elfen finde ich mit 25 Jahren arg gering. Trotzdem finde ich es lobenswert, wie die Autoren hier eine Anknüpfung an die spätere Begegnung mit Galandel schaffen.

Letztendlich wird die Wintersonnenwende mit einem Festmahl begangen und die Recken und Drachenführer prahlen mit ihren Taten. Also erzählt auch Beorn einen Schwank vom Güldenland und Phileasson macht sich deswegen über ihn lustig. Hier wurden einige Formulierungen aus dem Abenteuer übernommen, was ich angenehm fand. Was leider immer noch nicht passt, ist die Heftigkeit des Streites, der zwischen Beorn und Phileasson ausbricht – ohne vorherige Erklärung, warum die beiden sich so spinnefeind sind und am besten eine Rückblende zu relevanten Ereignissen in der Vergangenheit zündet die Szene einfach nicht. Hier hätte der Roman gegenüber dem Abenteuer die Hintergründe dieser beiden Figuren erforschen und einen echten Mehrwert schaffen können – schade, dass diese Chance vertan wurde.

Als hätte Garhelt nur darauf gewartet, eröffnet sie den beiden Streithähnen, dass sie auf eine lange und gefährliche Queste gehen sollen – jaaa, mitten im Winter! Jeder soll sich eine Mannschaft zusammenstellen und in einer Woche lossegeln und um Ruhm und Ehre kämpfen und um den Titel „König der Meere“. Phileasson rekrutiert also nacheinander die vorher eingeführten Figuren – Ritter, Elf, Magier, Kraftpaket. Weitere Expeditionsteilnehmer werden vorgestellt und beschrieben. Ganz enttäuscht war ich von Shaya. Der Roman beschreibt sie als weinerliche kleine Memme, die zum ersten Mal ihr Zuhause verlassen muss und sich deswegen ganz furchtbar fühlt. Von Charakterstärke, Selbstvertrauen, thorwalscher Entschlossenheit oder Humor ist bei ihr überhaupt nichts zu finden – sie ist einfach nur ein kleines Mädchen, das vor einer großen Herausforderung steht und Angst hat. Mit 33 Jahren als Thorwalerin und Traviageweihte. Irgendwie hatte ich mir nach der Lektüre des Abenteuers ein anderes Bild von Shaya gemacht.

Es werden Vorbereitungen getroffen und einige andere Dinge passieren, die mir beim ersten Lesen nicht im Gedächtnis geblieben sind. Gut gefallen hat mir das Ritual mit der gemeinsamen Wäsche der Ottajasko, um zu zeigen, dass die Gefährten zu einer festen Gemeinschaft vereint werden. Es sind solche kleinen Szenen, bei denen Flair und Abenteuergefühl aufkommen.

Dann verkündet Garhelt die Wettkampfregeln (wieder stark mit Abenteuerformulierungen getränkt, aber besser) und die beiden Mannschaften fahren los. Es entbrennt ein Wettrennen zwischen Beorns Seeschlange und Phileassons Seeadler, bei dem Phileasson zurückfällt. Dann packt er aber die Motivationspeitsche aus, wirft mit derben Sprüchen um sich und schreit die ganze Zeit „Pullt! Pullt! Pullt!“ …Mag sein, dass das der korrekte nautische Begriff für diese Tätigkeit ist, aber allein nach meinem Empfinden stört mich das Wort, da es zu sehr nach Anglizismus klingt. Ganz zu schweigen davon, dass ich Phileassons Wortwahl und Gebaren unglaublich nervig fand. Es sind manchmal einzelne Worte, die eine ganze Szene zerstören.

Die Fahrt geht weiter und die Perspektive wechselt zu Beorn. Der hat ganz zu Beginn eine mysteriöse Botschaft von jemandem erhalten, der offenbar schon genau wusste, was in Zukunft passieren würde. Dieser Jemand bietet Beorn Hilfe an, weshalb Beorn auf der unheimlichen Schlangeninsel einen Zwischenstopp einlegt. Dort begegnet ihm der mysteriöse Elf Galayne, der Beorn auf seiner Fahrt begleiten will – warum auch immer. Er hat anscheinend ebenfalls einen „großen Plan“. Kenner der Saga wissen vermutlich schon, woher der Elf mit der schneeweißen Rüstung stammt, weshalb sich mir auch die Frage erschließt, warum so jemand schon zu Beginn der Saga Bescheid weiß. Wurde hier der Hintergrund geändert, um die Plausibilität zu erhöhen? Es bleibt abzuwarten, aber ich erwarte nichts Gutes.

Der mysteriöse Elf beschwört auf Beorns Bitte einen Sturm herauf, um Phileasson zu ärgern, was dazu führt, dass die Seeadler vor Olport Schiffbruch erleidet und mit Müh und Not den rettenden Hafen erreicht. Ein Mann geht von Bord, kann aber gerettet werden. In Olport treffen die Recken nun auf die wohl nervigste Figur dieses Romans: das kleine Mädchen Leomara, die ein Medium ist und mit ungewöhnlich tiefer Stimme düstere Prophezeiungen™ von sich gibt. Ich weiß nicht, wie die Autoren darauf gekommen sind, das sei eine gute Idee. Die Funktion einer solchen Figur kann ich mir erschließen, zumal gegen Ende des Abenteuers genau das passiert, was ich denke, weshalb ich an späterer Stelle noch einmal darauf zurückkommen werde. Es sei nur soviel gesagt: Mir hat Leomara überhaupt nicht gefallen.

In Olport wird nun das Schiff repariert, es werden Informationen gesammelt und Beziehungen gefestigt. Ich fand diesen Abschnitt gut gelungen und zum ersten Mal kam das „Phileasson-Feeling“ auf, auf das ich schon die ganze Zeit gewartet hatte. Der mittlere Teil des Buches ist sicherlich der stärkste.

Die Fahrt geht weiter und es werden zahlreiche Ereignisse und Begegnungen aus dem Abenteuer umgesetzt. Die relevanten Mannschaftsmitglieder bekommen Screentime und können sich beweisen, wobei Phileasson immer schon die Augen aufhält und bewertet, wen er zum Himmelsturm mitnehmen kann und wer eher ungeeignet ist.

Die Reise geht weiter zum Packeis, über Eis und Schnee nach Yetiland. Unterdessen zettelt Beorn einen Krieg mit den Yetis an, was hier durch die Gier seiner Mannschaft nach warmen Pelzen erklärt wird. Ich fand die Passagen mit Beorn in Ordnung. Für Spielleiter der Saga gibt es hier ein paar zusätzliche Informationen, um die Geschichte mit Leben zu füllen.

Die Episode bei den Eisigeln wird recht ausführlich geschildert und (leider) auch Leomara darf dazu etwas Düsteres™ sagen. Eine der großartigsten Ideen – oder besser eine Idee, aus der ich in meiner Spielrunde eine wunderbare Szene stricken konnte – fehlt leider: die Recken begegnen keiner Eisfee.

Die Gruppe kommt schließlich nach Yetiland, findet das Yetijunge, hat eine Begegnung mit wütenden Yetis, wird zu Mutter Galandel geführt und von den Yetis mit einem Festmahl willkommen geheißen. Ich war etwas enttäuscht, weil der erste Kontakt mit Galandel sozusagen außerhalb der Erzählung stand. Es wird geschildert, dass man sich zum Yetidorf aufmacht, dann ist der Abschnitt zuende. Der nächste Abschnitt beginnt am Tag nach der Begegnung mit Galandel und macht nur einige Anspielungen auf das Geschehene.

Nach ein paar Unterredungen beschließt man, im Tal der Donnerwanderer Mammuts zu fangen. Also macht sich die Gruppe auf den Weg, der neugierige Tylstyr und sein Kumpane Tjorne gehen fast beim Schlammgeysir drauf und Shaya hat irgendwelche Probleme mit dem Elfen.
Im Tal selbst wird zunächst Beorns Jagderfolg beschrieben. Mit Hilfe des mysteriösen Elfen Galayne fängt Beorn ein Mammut-Jungtier und stattet dann Phileasson einen Besuch ab, um vor ihm zu prahlen.
Diese Gelegenheit nutzt Zidaine, eine mysteriöse Frau aus Beorns Mannschaft, die ungefähr in Tylstyrs Alter ist, um ihn zum Krebse-Essen einzuladen. Wer den Prolog noch nicht verdrängt hat, wird sich daran erinnern, dass da Krebse als Mordwerkzeug eingesetzt wurden: Handelt es sich bei Zidaine etwa um die von Rachelust getriebene Fianna? Die Spannung ist kaum zu ertragen – wird sie Tylstyr töten? Ist „Krebse essen“ nur ein Euphemismus für eine weitere grausame Mordszene? Interessiert mich das im Geringsten?

Nun macht sich Phileasson daran, ein viel größeres Mammut zu fangen, und findet es auch: den König des Tals der Donnerwanderer. Mutig schmeißt er sich dem Untier entgegen, muss die Jagd aber nach kurzer Zeit erfolglos abbrechen. Sein Übermut kostet ein Mannschaftsmitglied das Leben; ich finde es gut, dass Phileasson hier ein paar Ecken und Kanten erhält, die an seinem „strahlender-Held“-Image kratzen. Phileasson ist besessen von der Idee, den Wettkampf gegen Beorn zu gewinnen und König der Meere zu werden – gut, dass auch die negativen Nebeneffekte solcher Besessenheit geschildert werden.

Schließlich fängt auch Phileasson ein Mammut und man kann zur nächsten Aufgabe übergehen: Die Reise zum Himmelsturm. Es werden Geschichten erzählt, dann macht man sich auf zum Heiligtum der alten Elfen. Hier hat Leomara ihren großen Auftritt, denn das kleine Medium empfängt Eindrücke aus der Vergangenheit, die davon erzählen, wie die Statuen auf die Felsspitze gelangt sind, wer Nurtis Träne erschaffen hat und so weiter – Informationen eben, die man sonst nicht erhalten würde. An dieser Stelle möchte ich zurückgreifen auf das, was ich zu Leomaras Auftritt in Olport gesagt habe, und was ich aus dieser Szene schließe: Ich vermute, dass mit Hilfe von Leomaras medialen Fähigkeiten die Anteile der Hintergrundgeschichte, die die Figuren sonst nicht mitbekommen und erfahren würden, erzählbar gemacht werden sollen. Hier haben wir ein Beispiel dafür, wie dem Leser und den Figuren Hintergründe vermittelt werden, die die Helden im Abenteuer beispielsweise durch Träume oder Visionen erfahren konnten. Ich schätze, dass Leomara im Himmelsturm sehr viele Hustenbonbons brauchen wird, denn bei der Menge an Erinnerungen, Visionen und unerfahrbaren Hintergrundinformationen, die dort zu finden sind und die man braucht, um überhaupt zu erahnen, worum es bei der ganzen Sache geht, wird sie sehr häufig mit ihrer tiefen Stimme sprechen müssen.

Der erste Roman endet mit einem durchaus guten Schlusssatz, lässt mich aber mit gemischten Gefühlen zurück. Ich bin enttäuscht, weil ich etwas anderes erwartet hatte. Ich wollte mehr von Phileasson wissen, mehr über die Hintergründe der Feindschaft zwischen ihm und Beorn, mehr über die Personen an sich und was sie auszeichnet. Zwar erhalten die beiden Drachenführer ein paar neue Aspekte, die sich meist gut ins Gesamtbild einpassen, aber das reicht mir nicht. Für den Auftakt der Saga hätte ich mir einen Prolog gewünscht, der sich den beiden widmet.
Stattdessen musste ich einen Prolog lesen, der sonstwohin gehört, aber nicht in die Phileassonsaga. Das ist das Aushängeschild der Phileassonsaga? Sowas gibt man potentiellen Lesern und Kunden als Leseprobe? Nach der Lektüre der Leseprobe war ich ziemlich erschüttert und wenn meine Neugier nicht stärker gewesen wäre, hätte ich mir den Roman nicht vorbestellt, vielleicht sogar ganz liegen gelassen. Die ganzen 83 Seiten des Prologs kann man meiner Meinung nach rausschneiden und in die Tonne kloppen oder an einen anderen Romananfang setzen.

Dass die alte Mannschaft teilweise ausgetauscht wurde - Ynu ist jetzt eine Frau, Raluf wurde umbenannt -, stört mich nicht. Ich finde Irulla interessant und freue mich auf weitere Szenen mit ihr. Was die Autoren aus Shaya gemacht haben, lässt eine lange und tiefgreifende Entwicklung erwarten. Ich weiß nur nicht, ob ich mich dafür noch interessiere, nachdem sie mir im ersten Band dermaßen unsympathisch und weinerlich begegnet ist. Sie wirkt wie ein Fremdkörper – nicht nur in der Mannschaft, sondern insgesamt.
Die anderen Figuren – Salarin, Tylstyr, Tjorne – sind in Ordnung. Garhelt hatte ich mir ganz anders vorgestellt – trotz ihrer stattlichen 73 Jahre ist sie immer noch raubeinig und lebhaft wie eine 20-jährige.

[/MI]

Welchen Eindruck hinterlässt Nordwärts also insgesamt? Nach einem missratenen Prolog folgt erst mal eine durchschnittliche Erzählung, die in der Mitte des Buches Fahrt aufnimmt und zum Ende hin wieder abfällt. Es gibt einige wenige Szenen, die wirklich zünden und mir das Gefühl geben: „Das ist es! Das ist die Saga! Das ist Phileasson, wie ich ihn haben will! Das wohl!“ Aber diese Lichtblicke sind viel zu rar gesät. Viel zu selten habe ich gelacht, geschmunzelt, mich emotional angesprochen gefühlt. Viel zu oft hingegen war ich enttäuscht darüber, wie weit meine Vorstellungen der Saga vom Produkt der beiden Autoren abwichen. Meine Erwartungen segeln dem Roman davon. Bleibt nur zu hoffen, dass die Autoren – wie Phileasson – Mut und Ausdauer haben und den Vorsprung aufholen können. Aber ohne dabei ständig „Pullt!“ zu schreien ^^“
Nordwärts bekommt von mir 2 Punkte.

Ich werden den zweiten Band auf jeden Fall kaufen, weil ich lesen will, was die Autoren aus der schwierigen Vorlage machen. Ohne diese Neugier wäre ich aber schwer hin- und hergerissen, ob ich es nicht einigen Matrosen aus Phileassons Mannschaft gleich tun und desertieren sollte.

[Nachtrag]Zum Äußeren: Das Cover gefällt mir sehr gut und auch die im Umschlag enthaltenen Karten sind klasse! Die kleinen Symbolbilder zu Beginn und am Ende eines Kapitels passen ebenfalls gut.
[nachträgliche Anmerkung:] Ich habe niemandem meine Einwilligung gegeben, meine Rezension auf Amazon zu posten.

Verfasst: 17.04.2016, 13:42
von phil
Ich bin ja mal gespannt, mein Exemplar sollte hoffentlich in den nächsten Tagen eintrudeln - und sobald ich durch bin, melde ich mich hier natürlich auch zur Wort :-). Danke fürs Eröffnen des Threads, Brandur! Ich habe ihn zusammen mit der Ankündigung der zweiten Talkrunde auf der Startseite verlinkt.

Verfasst: 26.04.2016, 10:54
von Gion
Hi Brandur

deiner Rezension (ich lese sie peu a peu, so wie ich selber gerade den Stand im Roman habe), kann ich (leider) in großen Teilen anschließen. Shaya gefällt mir überhaupt nicht in der Darstellung, du beschreibst es genau wie ich es sagen würde. Phileasson hat inzwischen (S.240) auch ein paar sehr schöne und gute Auftritte. Die Ausfahrt aus dem Hafen aber ist total daneben.

Sehr enttäuscht bin ich von Beorn.
Beorn ist von Anfang an schlicht uninteressant böse und ein Frevler an den Göttern. Die Saga hätte erlaubt, ihm ein vielschichtigeres Bild zu schenken. Ein Bild etwa, das ihn als jemanden zeichnet, der für seine Leute alles tut, der mit ansehen muss, wie er seinen Leuten im Himmelsturm nicht helfen kann und der von Pardona erniedrigt wird und gezwungen wird, ihr Werkzeug zu werden. Der sich dann daran macht, selbige zu unterwandern. Und natürlich dennoch ein harter Hund bei alledem ist, der schon ruppiger als Phileasson vorgeht und vor allem die Weltoffenheit und den Edelmut vermissen lässt.

Verfasst: 27.04.2016, 10:15
von phil
Hallo allerseits,

ich bin mittlerweile auch mit Nordwärts durch und kann mich also endlich kurz zu Wort melden :-). Mit einem detaillierteren Statement werde ich wohl noch warten, bis ich den Roman nochmal gründlicher gelesen habe, da ich ihn stellenweise sehr flott im "Fanboy-Mode" verschlungen habe. Wie dies schon vermuten lässt, hat das Buch bei mir einen deutlich besseren Eindruck hinterlassen, als es bei euch beiden durchklingt - auch wenn ich natürlich ebenfalls Kritikpunkte habe (der finstere Prolog ist nach wie vor weder ansatzweise mit meinem Thorwal-Bild kompatibel, noch etwas, das ich gerne lesen möchte; und auch Shaya stößt mir manchmal (!) auf - wobei ich hier eher Grundlagen für weitere Entwicklung sehe).

Ich schmeiße einfach mal ein paar Sachen, die den Fanboy in mir unheimlich gefreut haben, in den Raum: Phileasson gefällt mir wirklich gut, und ja, selbst an der "Auslaufszene" stört mich nichts. Sobald er auftritt, "lebt" er einfach in meinem Kopf, ich sehe ihn vor mir und finde ihn einfach stimmig. Ein Highlight sind hier sicherlich die Szenen mit Ohm - das mag auch ein wenig Nostalgie sein, da Ohm (der ab Queste 7 Spielercharakter wurde) in meiner Gruppe gerade wegen seines Verhältnisses zu Phileasson ungemein hervorgestochen hat, aber die beiden machten mir beim Lesen immer wieder eine wohlige Gänsehaut, weil sie einfach genau "richtig" sind. Das ist überhaupt ein Gefühl, das sich häufiger in mir breit gemacht hat - again, vielleicht einfach der Fanboy, der sich freut, wie viele Szenen dicht am Abenteuer sind (das Auslaufen, das Fest bei Garhelt usw.), aber diese Dinge funktionierten einfach.

Und ja, Beorn bekommt natürlich einen arg düsteren Einstieg mit (Spoiler)dem Menschenopfer, das ihn wirklich gleich als Frevler darstellt, aber ich sehe da viel Potenzial und halte ihn auch nicht für so einseitig, wie es hier durchklingt - gerade während der Szenen im Tal der Donnerwanderer, (Spoiler)wo sich die Mannschaften vielleicht gegen den Willen der Kapitäne leicht verbrüdern und es zu gegenseitigen Respektbezollungen kommt, ist dann auch mein Thorwal-Bild wieder getroffen.

Natürlich vermisse ich einige Mannschaftsmitglieder aus dem Abenteuer, aber die meisten neuen Charaktere hinterlassen bei mir einen guten Eindruck - da werden natürlich auch schon einige Sachen für Kenner der Saga angeteasert, die, wie ihr euch nach meinen letzten Absätzen sicher denken könnt, bei mir die richtigen Knöpfe drücken (Spoiler)(z.B. Salarin, der auf der Suche nach den Elfengöttern ist und ein Sternenmal trägt; oder Irulla, die sicherlich in der 8. und 9. Queste ihre großen Momente haben wird).

Man merkt an vielen Stellen, dass Hintergründe noch für spätere Romane aufgespart wurden (z.B. was die Feindschaft der beiden Kapitäne angeht), aber das finde ich nicht schlimm - bei mir sorgt es eher für Vorfreude.

Lieben Gruß
Philipp

Verfasst: 09.05.2016, 22:02
von Gion
Hi alle, vor allem Brandur und Phil. Ich bin inzwischen auch durch mit dem Roman. Brandur, danke dir auch für die Fragen für die Talkrunde. Die sind aufgenommen in das Arbeitsdokument mit den Autoren.

Brandur, ich kann mich auch zum Abschluss des Romans in fast allen Punkten komplett dir anschließen.

Shaya: zu unsympathisch erzählt. Wenn ich die Figur zusammenfassen müsste: ist klein (!11!elf!), weint, will immer kochen. Keine starken Auftritte, keine ordentliche Auseinandersetzung. Man mag ja lange Reifungsprozesse von Figuren mögen. Ich seh nur nicht, was ich da reifen lassen wollen würde. Im Vergleich zu Vascal merken unbedarfte Lesende nicht, dass sie auch "Wunder wirken" kann.

Irulla: ganz in Ordnung, wenn sie nicht so total plakativ und überdreht rüberkäme. Das ist mir zu viel Exotismus, das tut weh beim Lesen. 2016 sind wir eigentlich weiter. Ein, zwei Schlüsselszenen hätte sie sehr gut hineingepasst. Dann machen das genau andere (Rettung Tylstyr vor Geysir).

Salarin: eigentlich noch der beste Charakter. Nur wird er Phileasson (!) und den anderen ständig mit "ex Spitzohr" angepfiffen oder als "verträumt" beschimpft. Nach Wochen gemeinsamer, lebensbedrohlicher Reise. Sehr schade.

Tjorne: what the fuck. Einen Folterer, Menschenquäler und sadistischen Vergewaltiger in der Gruppe zu haben und dem drei Seiten lang zuzuhören wie er die Brüste von einer Kämpferin aus Beorns Gruppe findet. Das geht gar nicht. Für so einen Stoff ist das ganze viel zu seicht erzählt. Abgesehen davon, dass solche Literatur auch nicht in meinem Haushalt wäre.

Ragnor: ist stark (!!!). Stirbt, weil Phili sehr oberflächlich und dämlich ist. Gut, jetzt kommt die Chance, Phili Tiefe zu geben, in dem er mal mit Selbstzweifeln zu tun hat, am Grab seines Kameraden weint. Nichts. Ohm zittert kurz. Phili zeigt keine einzige Gefühlsregung. Nichts. Stattdessen schwirrt ihm in mehreren Szenen ausschließlich im Kopf herum, wer wo nicht "standhaft" genug war (beim Tod von Kameraden etc), um die auszusortieren bei nächster Gelegenheit.

Ohm: Seine Angst, dass wegen abbe Finger von Vascal ein namenloser Priester dahinter stecken muss könnte gut sein, ist mir aber zu oberflächlich erzählt. Er bleibt blass, hat es sich aber noch nicht mit mir verdorben.

Phili: siehe die Bemerkungen bei den anderen. Ist mir viel zu oberflächlich und engstirnig. Es gibt zwei, drei Szenen mit ihm dir mir gefallen. Ansonsten auch für Phileasson-Saga Nicht-Kenner keine Figur mit der ich mitfiebern würde oder die mir gar sympathisch wäre. Wie er abfällig über Wunder (Vascal) redet, das geht gar nicht, wie er Salarin beleidigt usw. Breites Grinsen und Lachen sind seine Gefühlsregungen. Bisschen wenig.

Galandel: sehr schade, dass ihre erste Begegnung mit Phili, aber auch erste Begegnung mit Galayne übersprungen wurde. Sehr schade auch, dass das elfische Lied vom Himmelsturm nicht als Gedicht vorliegt sondern nur nacherzählt wird. Sowas hätte ich von den Romanen erwartet. Ihr Auftreten als Yeti-Schamanin wurde eher belustigt erzählt, statt dem Tiefe zu geben. Ihre Entscheidung mitzukommen, bleibt mir ein Rätsel und zwar nicht im positiven Sinne.

Tylstyr: Wenn er nicht Teil des Prologs gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich was mit ihm anfangen können.

Vascal: Sein Wunder wirken wird ein bisschen arg profanisiert. Das ist zwar DSA5 kanonisch, aber für den Roman hätte ich viel eher eine wie in den DSA4 Regeln empfohlene Darstellung gut gefunden - oder Geweihte gar nicht "sichtbare" Wunder wirken lassen. Dass er Leomara auf eine Reise zum Himmelsturm mitnimmt, statt - wenn er sich von ihr schon nicht trennen will - der Reise selbst entsagt, finde ich total unplausibel.

Leomara: die nervt mich nicht so sehr, wie ich, Brandur. Ich hätte die Träume schöner gefunden. Aber die Lösung mit Medium geht vielleicht tatsächlich einfacher. Die Rolle hätte aber auch ein Erwachsener haben können. Das mit kleines Mädchen tiefe Stimme finde ich zu plakativ. Die Hustenbonbons im Himmelsturm sind hoffentlich noch im Zuckerbäcker-Clan-Haus zu finden ;)

Crottet: blieb sehr blass. Er hat keine richtige Connection zur Gruppe.

Jagd auf die Mammuts:
Wie so lapidar die Jagdrechte an Phileasson abgegeben wird, wie plump die "Glasperlen für Wilde" Nummer dargestellt wird, dass es keinen (im Buch beschriebenen) Versuch mehr von Phili gab, wieder Frieden zu Yetiland zu bringen, das ist für mich ein Vesäumnis und mir ein Rätsel. Das ist doch eine tolle Geschichte, die auch Phili interessant gemacht hätte. Wie Phili sein Mammut fängt ist traurig mit anzusehen (siehe Ragnors Ende). Und wie missmutig und genervt dann nicht nur die Figuren sondern auch die Autoren den dritten erfolgreichen Versuch beschreiben, das ist dann das Ende der ersten Queste der großen Phileasson Saga. "Aber ich hab den größten... Mammut, höhö. Pullt, sonst nagel ich dein Spitzohr an den Masten. Denn ich will König der Meere werden, ihr Memmen. Jetzt mach endlich deinen Wunder-Firlefanz, Nandus. Und Shaya, hol mir noch'n Met."

Zidaine "Blakarazine": diese Geschichte möchte ich nicht weiter hören. Das ist grausam, bescheuert und unwürdig. Die schlanke (!) Kriegerin, die als junge Frau fast zu Tode gequält wurde von einer Horde Jugendlicher, sich dem Rachedämon verschreibt, und jetzt die Täter bis ans Ende der Welt verfolgt, um sie da mit ihren Brüsten über drei Seiten hinweg zu verführen. Das ist ganz große Scheiße. Muss man noch erwähnen, dass Beorn sie kennenlernte "als sie jemandem die Lippe abbiss, der ihr einen Kuss stehlen wollte"?

Ursa (und ihre Schwestern): Beorn macht sie für seine Fehlentscheidungen verantwortlich. Tolle Wurst. Sie verliert ihre Schwester im Kampf und interessiert sich nicht die Bohne dafür. Aha.

Galayne: großer Unbekannter, der in die Zukunft sehen kann, der Menschenopfer für Echsengötter bringt, aber dem Yetis total leid tun. Ich werd nicht schlau aus dem bzw. finde die Figur nicht konsistent erzählt.

Was das Frauenbild im Roman angeht, dazu braucht es nochmal einen Extra-Post. Das sind leider noch ein paar kleinere Klöpse neben den großen zu finden. So Sachen, die mich bei vielen Scie-Fi und Fantasy Romanen nerven, und nicht speziell Phileasson sind. Allerdings schon kurios, wenn in einem seit Jahrtausenden gleichberechtigten Thorwal auf Beorns Schiff gerade mal 6 von 44 Leuten weiblich sind. Im Tal der Schneewanderer sind es dann sogar nur noch 3 von 41 (7%). Oder wenn Shaya meint, dass ausgerechnet Irulla schutzbedürftig sei, aber Vascal nicht (beim Kampf gegen die Räuber).

Verfasst: 18.05.2016, 08:41
von Freude
Also dann will ich auch mal wieder meinen Senf dazugeben. Ich bin auch eher mit der Fanboy-Brille auf den Roman losgegangen und deshalb muss ich ihn wohl auch noch einmal lesen. Da wir schon jahrelang an der Phili spielen war ich entsprechend neugierig. Und mir war auch von vorne herein klar, dass jede Gruppe anders an die Sache "rangehen" wird. So natürlich auch die Gruppe der Autoren.

Ich habe leider aber auch wenig Lust hier jetzt große Romane zu schreiben. Deshalb auch mein erstes Fazit in Kurzform:

Positiv:
- Klasse, wie die Autoren aufzeigen, dass man seine Helden im Spiel ebenfalls Entscheidungen treffen lassen kann ohne Phili alt aussehen zu lassen (Thema: Railroading in der Phili)
- Die Thorwaler entsprechen (zum Glück) in ihren Beschreibungen genau auch meinem Bild von Thorwalern

Negativ:
- Was ist das für ein Prolog bitteschön? Um die Story von tylstyr zu erzählen hätte man das gekürzt auch woanders unterbringen können. Von mir aus auch in späteren Romanen. Aber DA gehört di Story mal auf keinen Fall hin.
- Zu wenig von Phileasson und von Beorn zu lesen
- Wenn ich noch einmal "Pullt" lese kotze ich
- Das Menschenopfer gleich zu Beginn verschießt das "Entwicklungspulver" von Beorn viel zu früh und lässt Beorn für mich in einem viel zu schwarzen Licht erscheinen. Beorn ist bei mir mehr grau als schwarz. Zumindest zu Beginn der Saga.

Mehr habe ich momentan mal nicht zu schreiben. Vielelicht interessierts ja jemanden...

Verfasst: 18.05.2016, 08:48
von Gion
Danke Freude für dein Fazit. Gerne mehr, wenn Lust. Einverstanden, dass wir die Kommentare von dir auch im Talk auf Youtube mit den Autoren am Donnerstag ansprechen?